Rosen für Apoll
ihm ihre Sendung. Der Großkönig bot ihnen an, in seine Dienste zu treten, worauf sie ihn derart beleidigten, daß nun die größte Wahrscheinlichkeit auf Erledigung ihres Auftrags bestand. Aber Xerxes, und das zeigt die ganze feudale Noblesse des Persers, hörte in Ruhe zu und schickte sie dann wieder nach Hause.
Sie kamen also nun an (die Priester erklärten die Götter für versöhnt) und erzählten von dem sagenhaften Herrn der Welt, Xerxes. Sie berichteten auch wörtlich, mit welcher Antwort er sie verabschiedet hatte: »Zwischen uns gibt es keine Vergleiche. Kehrt heim. Ich habe nicht die Absicht zu tun, was ich bei euch abscheulich fand.«
Den führenden Männern war nur allzu klar, daß die Geste echt war. Und ebenso klar war ihnen, daß man sie dem Volk gegenüber als einen Versuch von Xerxes erklären mußte, die Einheit des griechischen Bundes durch falsche Hoffnungen zu spalten. Diese Dosis Gift steckte natürlich wirklich in dem Xerxes-Wort.
Der Großkönig wiederholte das Manöver im Frühjahr noch einmal; die Sache verlief sogar noch abenteuerlicher. Korinth hatte, als zu vermuten stand, daß die Vorbereitungen der Perser nun abgeschlossen seien, drei erfahrene Spione nach Kleinasien gesandt. Die drei wurden entdeckt und standen vor der Hinrichtung, als Xerxes davon hörte. Er ließ sie vorführen. Die Kundschafter gaben ihren Auftrag offen zu. Xerxes hielt darauf seinem Generalstab einen Vortrag über die Aufgaben des I c und psychologische Kriegsführung und endete damit, daß er den Befehl gab, die Kundschafter über die Mobilmachung bestens zu informieren und dann nach Hause zu schicken.
Auch diese drei kehrten also jetzt zurück. Was sie berichteten, war einfach schrecklich.
Sie hatten 1 207 Kriegsschiffe und an die 3 000 Transporter gezählt. Sie hatten 517 000 Matrosen gesehen. Sie hatten 80 000 Streitrösser gezählt und 1 700 000 Kerntruppen, dazu fremde Kontingente und Streitwagen; zur See und zu Lande 2 317 000 Krieger.
War das alles? Nein, das war nicht alles, es kam noch der riesige Troß hinzu; er betrug die gleiche Zahl noch einmal, so daß es 5 Millionen Menschen waren, die der Großkönig mobilisiert hatte. »Die Zahl aber der Köchinnen, Kebsweiber und Beschnittenen«, heißt es weiter, »wie auch des Zugviehs, anderer Lasttiere und der indischen Hunde, die folgten, kann wohl niemand bestimmen, und oft hat zum Trinken und Kochen das Wasser ganzer Flüsse nicht mehr gereicht.«
Ich nehme an, daß Sie nur noch mit Mühe ernst geblieben sind. Der Bericht ist eine wahrhaft märchenhafte Aufschneiderei. Sie läuft Odysseus fast den Rang ab. Die Geschichtsforschung hat sich immer wieder, ohne Unterlaß, mit den Zahlen beschäftigt, sie hat auch erfahrene Generäle und Generalquartiermeister für die indirekten Berechnungen herangezogen, was hochinteressant ist! Die Ergebnisse lauteten verschieden, aber so sehr sie es auch waren: zu 5 Millionen Menschen hat sich niemand verstiegen. Am glaubwürdigsten sind die Berechnungen des englischen Generals Sir Frederick Mauric und A. Kösters, sie kommen auf 175 000 Krieger und etwa 1 200 Schiffe.
Die Griechen aber — wobei es ganz undurchsichtig ist, ob sie es geglaubt haben oder nicht — , die Griechen sind zeit ihres Lebens bei den 5 Millionen geblieben.
Kann man sich nun die Atmosphäre vorstellen, die in Korinth herrschte?
Was würde das nächste Jahr bringen; was hatten die Götter beschlossen?
Ah — die Götter! Natürlich! Von allen Städten setzte ein Wettlauf zum Orakel von Delphi ein.
Das sind Augenblicke, wo den Priestern das Herz im Leibe lacht.
... begeben wir uns mit der Schar der griechischen Delegationen nach Delphi. Habe ich Delphi mit dem Vatikan verglichen? Natürlich stimmt der Vergleich in Wahrheit nicht; wie könnte er! Delphi war weder ein Ministerium wie Rom noch eine Gedenkstätte wie etwa Mekka. In Delphi konnte man mit Apoll noch persönlich sprechen; was sage ich: debattieren! Da fehlte jede Düsterkeit, jeder Fanatismus, jede Grausigkeit. Ein Gang nach Delphi war wie ein Gang zum Hausarzt, »der uns schon als Kinder kannte«.
Vergangene Religionen nachzuempfinden ist das schwierigste, was man sich denken kann. Ein spartanisches Schwert und ein athenisches Schweinswürstchen lassen sich wenigstens ungefähr fassen, indem man sie mit einer Maschinenpistole und einem modernen Würstchen in Vergleich setzt. Sobald man mit dem Daumen einmal über die Schwertschneide fährt, wird einem die Realität klar.
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