Rosen für die Kaiserin
und Sorge. Die Sorge hätte Jutta ihr gern ausgeredet, denn Vaters Schläge waren einigermaßen erträglich. Das Sprechverbot bestand allerdings weiter, sodass sie es aufgab, über den Mann im Wald zu sprechen, der wohl immer noch auf Hilfe wartete.
Als sie im Bett lag, überfielen sie Gewissensbisse. Ein Gewitter war aufgezogen; grelle Blitze erhellten immer wieder die Kate. Nein, als Siegerin über die böse Schlange kannte sie keine Angst, nur fragte sie sich, ob der Mann wohl inzwischen verblutet war. Er hatte ihr einen Denar gegeben, aber sie hatte nicht getan, worum er sie gebeten hatte. Wenn er tot war, dann vor allem durch ihre Schuld. Sie fühlte sich miserabel und beschloss, dem Vater am nächsten Morgen alles zu berichten – wenn er sie denn zu Wort kommen ließ.
Anderentags war Vater jedoch immer noch mürrisch und ihr keineswegs wohlgesinnt. Außerdem bezweifelte Jutta, dass sie den Ort im Wald wiederfinden würde. Also schwieg sie weiter, hoffend, dass ein anderer sich um den Hilfsbedürftigen gekümmert hatte.
Einige Tage später, als sie einem Gespräch zwischen Wirich und ihrem Vater lauschte, erfuhr sie, dass im Wald zwei Leichen gefunden worden waren. Ein Fremder, seiner Kleidung nach zu urteilen ein Händler, sowie ein in dieser Gegend lange gesuchter Halsabschneider hätten sich offenbar gegenseitig abgestochen. Wirich mutmaßte, dass jemand die Leiche des Händlers bestohlen haben musste, denn neben ihm hatte man einen einzelnen Denar gefunden, den der Dieb in seiner Hast offenbar verloren hatte.
Jutta erinnerte sich an den Lederbeutel an seinem Gürtel. Natürlich schwieg sie über die Vermutung, die ihr kam. Schließlich hatte auch sie etwas zu verbergen.
6
Metz, Ende Juli 977
E
unice war der einzige Mensch in Theophanus Umfeld, der laut aussprach, was jeder dachte. »Es wäre nützlich, wenn Ihr einen Sohn gebären würdet, Herrin.«
»Ich werde mich bemühen, deinen Rat zu beherzigen«, entgegnete die Kaiserin mit einem Lachen. Nach mehr als drei Jahren war sie endlich schwanger geworden.
Selbst Eunice, die manchmal ein wenig einfältig sein konnte, hatte begriffen, wie wichtig ein möglicher Thronfolger für das Geschlecht der Luidolfinger war. Denn Ottos Macht war keineswegs gesichert. Der Aufstand seines Vetters Heinrich hatte gezeigt, wie groß die Bereitschaft mancher Reichsfürsten war, die Fronten zu wechseln, wenn es ihnen Vorteile versprach. Dies war im Reich der Deutschen kaum anders als in Byzanz.
Während die Nonne, die sie umsorgte, mit ernster Miene die nächste Wehe ankündigte, wanderten Theophanus Gedanken zurück in die Vergangenheit. Sie dachte an ihre erste Begegnung mit Heinrich, den Willigis einmal als Rixosus, den Zänker, bezeichnet hatte. In Quedlinburg war das gewesen, als ihr Schwiegervater noch lebte und alles noch fremd und unbekannt für sie gewesen war.
Heinrich war ihr keineswegs wie ein Querulant erschienen. Er wirkte galant und zeigte beste Manieren, seine Augen waren blau und strahlten wie die eines Mannes, der sich glücklich schätzte. Und doch, so hatte man Theophanu zuvor belehrt, musste man vor ihm auf der Hut sein. Schon sein Vater gleichen Namens hatte gegen seinen königlichen Bruder Otto aufbegehrt.
Beide waren sie Königssöhne, doch Heinrich hatte es nie verwunden, dass der Ältere die Krone erbte. Denn Otto war von herzoglichen Lenden gezeugt, er aber, Heinrich, wurde geboren, als der Vater bereits König war. Seine Ansprüche auf den Thron fanden durchaus Unterstützung. Mehrere Aufstände scheiterten, ein Mordanschlag auf den König wurde vereitelt. Heinrich wurde gefangen genommen, nach reuevoller Buße von seinem Bruder jedoch begnadigt und später mit dem Herzogtum Baiern belehnt. Er starb im Jahr der großen Ungarnschlacht.
Dieser Mann also war der Vater des jungen Herzogs, dem Theophanu in Quedlinburg gegenüberstand. In ihm floss das Blut eines Rebellen, und tatsächlich sollte sich ja bald zeigen, dass er die Ansprüche auf die Krone nicht aufgegeben hatte. In Quedlinburg aber war von einer Verdrossenheit Heinrichs nichts zu spüren gewesen.
»Was für ein Glück Ihr habt, Vetter«, sagte er voller Bewunderung zu Otto, als dieser ihm seine griechische Gemahlin vorstellte. »Und damit meine ich nicht die Krone auf Eurem Kopf.«
Theophanu sei bei seinen Worten errötet, hatte Eunice hinterher behauptet. Was aber, wie Theophanu glaubte, eine ihrer üblichen Übertreibungen gewesen war.
Nach dem Tod des Kaisers hielt
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