Rosen für die Kaiserin
kläglich, da es an tauglichem Belagerungsgerät fehlte. Die Verteidiger dagegen waren aufs Beste vorbereitet, ihre Arsenale mit Proviant reichlich gefüllt. Mühelos leisteten sie den Anstürmenden Widerstand.
Bald war das Umland von Paris gänzlich geplündert und der Nachschub versiegt. Tagelanger Regen setzte ein, Krankheiten und Hunger breiteten sich unter den Belagerern aus. Längst drängten viele zum Rückzug, zumal auch die Pferde immer hinfälliger wurden. Theophanu, die kränkelnd im Zelt blieb, hätte alles gegeben, diesem fürchterlichen Ort zu entkommen. Zudem hatte sie festgestellt, dass ihre Monatsblutung ausgeblieben war, schwieg sich aber Otto gegenüber aus, um ihn nicht mit einer weiteren Sorge zu belasten. Sein Feldzug drohte in eine Katastrophe zu münden.
Otto fasste einen Entschluss, und Theophanu war die Erste, die er darüber unterrichtete.
»Morgen treten wir den Rückzug an!«
Sie nahm erleichtert seine Hand. »Eine weise Entscheidung!«
»Gott ist mir nicht wohlgesinnt. Ich hätte nicht hierherkommen sollen.«
»Du hast getan, was dein Gewissen dir befahl und die Fürsten guthießen.«
»Bevor wir abziehen, will ich Gott Ehre und Dank erweisen.«
Sie sah ihn fragend an, denn seine Stimme klang seltsam entrückt.
»Ruh dich aus!«, sagte er, ohne weiter auf seine letzten Worte einzugehen.
Am nächsten Morgen trug der Wind die Klänge eines brausenden Te deum in die Gassen der Stadt. Rasch erkannten die Belagerten, was es mit dem unheimlichen Gesang auf sich hatte: Er kam aus den Kehlen Tausender Krieger. Auf dem Montmartre war Ottos Heer angetreten und stimmte ein kollektives Halleluja an. Doch niemand machte Anstalten für einen neuerlichen Sturmangriff.
Das Misstrauen der Pariser wandelte sich allmählich in Verwunderung und schlug am Ende in Spott um. Bald stand die halbe Stadtbevölkerung auf den Wehrgängen und bedachte die Deutschen mit höhnischem Gelächter. Was wollte der Kaiser mit dieser albernen Posse bewirken? Glaubte er etwa, die Mauern der Stadt würden einstürzen unter dem frommen Gesang? Paris war nicht Jericho … und Otto nur ein anmaßender Herrscher, der sich Kaiser nannte.
Noch vor dem Angelusgeläut begann unter grauem Himmel Ottos ruhmloser Abzug, begleitet von triumphierenden Trompetenklängen der Pariser. Doch das Maß an Unheil, das Ottos Unternehmen begleitete, war noch nicht ausgeschöpft. Regen und Kälte begleiteten sie auf ihrem Rückzug. Beim Übergang der Aisne wurde der Tross von nachrückenden Franzosen unter Lothars Führung angegriffen. In hilflosem Zorn mussten Kaiser Otto und seine Ritter vom anderen Ufer aus zusehen, wie die Feinde sich des Gepäcks bemächtigten und mancher Trossknecht erbarmungslos niedergemetzelt wurde.
Otto schickte einen Boten, den Grafen von Verdun, ans andere Ufer. Der ließ ausrichten, König Lothar möge mit seinen Männern über den Fluss setzen und sich dem Kaiser in ehrenvoller Feldschlacht stellen. Erwartungsvoll sah Otto der Rückkehr des Grafen entgegen. Doch mit der Antwort, die dieser überbrachte, hatte niemand gerechnet.
»Lothar bietet Euch den Zweikampf an, mein Kaiser. Dem Sieger soll dann das Reich des anderen als Kampfpreis zufallen.«
»Gut!«, rief Otto überschwänglich. »Den Kampf soll er haben! Warum macht er mir erst jetzt diesen Vorschlag?«
»Weil er zur Heimtücke neigt. Ihr solltet ihm nicht trauen«, meinte der Graf. Andere pflichteten ihm bei.
»Er darf mich nicht für einen Feigling halten!« Dieser Gedanke schien Otto schlimmer als der Tod zu sein.
»Jedermann weiß um Eure Tapferkeit«, widersprach Ottos Leibgardist Luitger. »Doch der Franzose ist satt und ausgeruht, während Ihr seit Wochen Entbehrungen leidet.«
»Ihn gelüstet nach Lothringen, aber das gehört dir ohnehin«, erklärte Theophanu, die unter die Männer getreten war. Sie wusste, dass Otto weiß Gott kein Schwächling war, aber der Gedanke, ihn zu verlieren, war kaum zu ertragen. Er sah sie an, sein Blick war fiebrig und verzweifelt, und mit einem Mal erkannte Theophanu, dass Otto dazu bestimmt war, eine tragische Figur zu sein. Er war es jetzt, in diesem Augenblick der Ohnmacht, er war es erst recht im Licht seines großen Vaters, und er würde es auch künftig sein. Das Mitleid um ihn zerriss ihr beinahe das Herz.
Der Tross war verloren, der Gegner hochgestimmt statt gedemütigt. Ottos Heer glich einem geschlagenen Haufen, als es seinen Marsch fortsetzte. Geschwächt von den unsagbaren Strapazen der
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