Rosen für die Kaiserin
aus seinem Anspruch auf Lothringen gemacht. Seit den Tagen König Heinrichs war das Herzogtum ein Zankapfel zwischen Ost- und Westfranken. Lothars Mutter war eine Schwester Ottos des Großen gewesen. So kam es, dass der jüngere Otto erneut gegen einen seiner Vettern zu Felde ziehen musste.
Am Johannistag nahm das Unheil seinen Lauf.
Zwei Reiter passierten im wilden Galopp die Tore der Pfalz und verlangten, auf der Stelle zum Kaiser vorgelassen zu werden. Otto und Theophanu blickten überrascht auf, als die Boten von Leibgardisten in den Speisesaal geführt wurden. Dass sie beunruhigende Nachrichten im Gepäck hatten, war ihren verbissenen Gesichtern anzusehen. Auch hielten sie sich nicht lange mit den üblichen Gesten der Ehrerbietung auf.
»Herr, ein Heer der Franzosen hat über die Maas gesetzt«, begann der eine atemlos. »Es sind mehr als tausend!«
»Sie nähern sich in Eilmärschen der Pfalz«, sagte der andere. »Noch vor Einbruch der Dunkelheit werden sie eintreffen.«
Otto war bleich geworden. »Unmöglich«, murmelte er.
»Ihr müsst fort von hier – unverzüglich!«, sagte Luitger, der junge Hauptmann der Leibgarde, mit Nachdruck. Er war von stattlichem Wuchs und hatte flachsfarbenes Haar.
Theophanu begegnete Ottos hilfesuchendem Blick.
»Ich … soll fliehen? Aus meiner eigenen Pfalz?«
Die Männer schwiegen betreten.
»Wer führt die Franzosen an?«, fragte Theophanu.
»König Lothar höchstpersönlich, Herrin.«
»Unmöglich«, stammelte Otto erneut. Dann erhob er sich entschlossen. »Sattelt mein Pferd. Ich möchte mich selbst überzeugen.«
»Ich fürchte, dafür bleibt keine Zeit, mein Kaiser.« Luitger hob beschwörend beide Hände. »Die Vorhut ist bereits von den Hügeln aus zu sehen. Für Gegenmaßnahmen ist es zu spät. Uns fehlen die Truppen für einen Kampf.«
Theophanu stand auf. Ihr schwangerer Bauch erlaubte ihr nur tastende Schritte. Ohne Rücksicht auf die Etikette umarmte sie in Anwesenheit der Männer ihren um Fassung ringenden Gemahl.
»Für den Augenblick bleibt uns nichts weiter übrig, als Aachen zu verlassen«, flüsterte sie ihm zu. Einmal mehr gelang es ihr, ihn auf den Boden der Wirklichkeit zurückzuholen. Er küsste sie auf die Stirn und wandte sich mit feuchten Augen an Luitger, der erwartungsvoll auf den einzig vernünftigen Befehl wartete.
»So sei es denn! Aufbruch!«
Denn Euch allen droht Gefahr!
Theophanu entsann sich der Worte des Zänkers. Oft noch sollte sie sich in den kommenden Wochen fragen, ob er mit Lothar unter einer Decke steckte.
Als Lothar von Frankreich, den es nach Lothringen gelüstete, wenige Stunden später in Aachen eintraf, fand er die Pfalz verlassen vor. Sein Plan, den Kaiser kurzerhand gefangen zu nehmen, um ihn auf diese perfide Weise zu erpressen, war gescheitert. Zwar sandte er Suchtrupps aus, um die Fliehenden zu stellen, doch Luitger hatte Vorkehrungen zur Täuschung der Verfolger getroffen. So kam es, dass das Kaiserpaar, die einjährige Adelheid sowie eine Handvoll Bedienstete und Getreue die Nacht in einer Köhlerhütte verbringen mussten, dessen verdutzter Bewohner erst später von der wahren Identität der Schutzsuchenden erfuhr.
Lothar aber wusste, dass er den Anspruch auf Aachen und Lothringen nicht aufrechterhalten konnte, war er doch Otto auf Dauer militärisch nicht gewachsen. Umso tröstlicher fand es der Westfranke, dass man in der Eile die Reichsinsignien zurückgelassen hatte. Seine Soldaten und Trossknechte fanden indessen ihr Vergnügen darin, die Speisekammern zu plündern, Tische und Stühle zu zertrümmern und zu rauben, was an Wertvollem zurückgeblieben war. Seit den finsteren Tagen der Normannen hatte das stolze Aachen keinen Feind mehr innerhalb seiner Mauern gesehen.
Wenn sein Überraschungsschlag auch letztlich misslungen war, so hatte Lothar den kaiserlichen Vetter in tiefster Form gedemütigt, zumal er den ehernen Adler auf dem Giebel der Pfalz nach Osten ausrichten ließ, um auf diese Weise Frankreichs vermeintliche Überlegenheit auszudrücken. Gleichwohl zog er sich tags darauf mit seinen Truppen wieder über die Grenze zurück. Das Kaiserpaar befand sich bereits in Köln, als man ihm von Lothars Freveleien berichtete.
»Das wird er mir büßen«, sagte der Kaiser. Er sprach es aus wie einen feierlichen Eid. Kaum jemals hatte Theophanu ihn so grimmig erlebt. Blieb Lothars niederträchtiger Überfall ungesühnt, war es um das Ansehen des Kaisers im Reich geschehen. So wie Heinrich musste
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