Rosen für die Kaiserin
angestellt hat.«
Nun wurde Jutta hellhörig.
»Als habe ein wild gewordener Riese mit einer feurigen Axt darauf eingehackt, sag ich euch.«
Jutta durchfuhr es siedend heiß. Während Wirich nunmehr von den verkohlten Kadavern einer ganzen Wildschweinrotte erzählte, die er im Wald entdeckt hatte, schlich sie davon. Sobald sie sich unbeobachtet wähnte, rannte sie los, als seien hundert Höllenhunde hinter ihr her. Noch vor wenigen Tagen hatte sie ihr Versteck zum letzten Mal inspiziert. Merkwürdig war ihr dabei vorgekommen, dass der Waldboden rund um die Eiche recht aufgelockert gewesen war, als habe jemand in der Erde gegraben. Vermutlich hatten Wildschweine dort nach Fressbarem gewühlt.
Völlig außer Atem erreichte sie ihr Ziel und stellte erschüttert fest, dass Wirich nicht übertrieben hatte: Die uralte Eiche lag zerschmettert vor ihr. Hier und da stieg noch Rauch empor, und ihre einst so mächtige Krone sah aus wie das geräuberte Nest eines gigantischen Vogels. Jutta stöhnte, nahm sich aber nicht die Zeit zum Verschnaufen. Unverzüglich machte sie sich auf die Suche nach ihrem Schatz. Dabei stieg sie über knorrige Äste, brach Zweige ab, die ihr den Weg versperrten, rang nach Orientierung, um das Baumloch zu finden, in dem sich ihre Zukunft befand. Was, wenn es nicht mehr einzusehen war? Oder wenn die Münzen in der Hitze des Feuers geschmolzen waren? Was das überhaupt möglich? Sie mochte gar nicht daran denken. An einem noch schwelenden Ast verbrannte sie sich die Finger, aber sie achtete nicht weiter auf den Schmerz und suchte weiter.
Endlich wurde sie fündig. Vorsichtig griff sie in die Baumhöhle hinein und hätte am liebsten laut gejubelt vor Erleichterung. Das Stück Bärenfell war unversehrt, und unter dem Leinentuch ertastete sie den Lederbeutel mit den Münzen. Sie nahm alles aus dem Versteck, ging in den Schneidersitz und machte sich ans Auspacken. Bald bedeckte der gesamte Schatz ihren Rock. Der Anblick der silbernen Spange erwärmte ihr Herz, mehr noch als die Münzen, die ihr künftig lediglich als Mittel zum Zweck dienen sollten. Dennoch nahm sie eine davon zwischen Daumen und Zeigefinger, hielt sie hoch, um sie mit Genugtuung von beiden Seiten zu betrachten: das von vier Kreisen flankierte Kreuz; die Rundschrift; der mit kleinen Mustern verzierte Rand – sie hätte den Denar jederzeit in den Staub malen können, auch wenn sie keinen Schimmer hatte, was die Schriftzeichen eigentlich bedeuteten.
Nun denn, ein neues Versteck musste her. Während sie darüber nachdachte, ließ das Knacken eines Zweiges sie zusammenfahren. Hastig wollte sie sich verkriechen, doch es war zu spät: Brun hüpfte mit einer Flinkheit, die sie ihm nicht zugetraut hätte, über einige Baumtrümmer und stand mit einem Mal vor ihr.
»Sieh mal einer an!«, sagte er mit einem wölfischen Grinsen.
Jutta fluchte innerlich; sie hatte in ihrer Panik jegliche Vorsicht außer Acht gelassen, sodass es dem verhassten Stiefbruder gelungen war, ihr zu folgen.
»Gar nicht übel, dein Versteck. Ich war auch schon mal hier, hab den Schatz aber leider nicht finden können. Ganz hoch oben hattest du ihn also versteckt, so so.«
»Du hast hier nach dem Schatz gesucht?«
»Tja, zu dumm, dass Magda munter vor sich hin plappert, wenn sie sich alleine wähnt. Hübsche Geschichten erzählst du ihr.« Er ließ ein bellendes Lachen von sich. »Hättest dein Gesicht sehen sollen, als Wirich von der alten Eiche erzählte.«
Jutta schwieg.
»Ich glaube, das gehört alles mir«, zischte Brun mit gierigem Blick auf den Schatz. »Bis auf die Spange … Wo zum Teufel hast du die denn her?«
»Was kümmert’s dich?«
Jutta bemühte sich um Gelassenheit. Immerhin war sie die Klügere, auch wenn sie im Augenblick noch nicht wusste, wie das Problem der Aufdeckung ihres Geheimnisses zu lösen war. Ohne Hast ließ sie die Münzen wieder im Beutel verschwinden, packte den Schatz in das Leinentuch. Brun sah ihr dabei zu, griff aber nicht ein. Seitdem Jutta ihm einmal nach einem Streit in den Unterleib getreten hatte, war er vorsichtiger geworden. Dennoch stand fest, dass er sie nicht kampflos ziehen lassen würde.
»Das gehört alles mir«, wiederholte er; diesmal war die Drohung in seiner Stimme eindeutig.
»Jetzt nicht mehr«, entgegnete Jutta fest und erhob sich.
Brun trat näher und streckte ihr beide Hände entgegen. »Gib das her!«
Jutta überlegte fieberhaft. Sie hätte wegrennen können, und der behäbige Brun würde sie kaum
Weitere Kostenlose Bücher