Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosen für die Kaiserin

Rosen für die Kaiserin

Titel: Rosen für die Kaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Krieger
Vom Netzwerk:
trösten zu müssen.
    »Der Herzog hat recht, finde ich. Wenn diese Heiden nicht gehorchen wollen, dann müssen sie eben büßen.«
    Die Kaiserin blieb stehen und sah stirnrunzelnd zu ihm herab. »Wie lange hast du schon im Zelt gestanden und gelauscht?« Sie sprach nun griechisch, wie sie es oft tat, wenn er ihren Unwillen weckte. Mühelos antwortete der Knabe in derselben Sprache.
    »Ich wollte Euch nicht belauschen, Mutter. Wäre es nicht unhöflich gewesen, Euch ins Wort zu fallen?« Seine Äuglein blitzten trotzig auf. »Warum hegt Ihr Groll gegen mich? Darf ich denn als König nicht meine Meinung sagen? Stellt Euch vor, die alten Römer hätten jedem ihrer Feinde unverdiente Gnade gewährt. Niemals hätten sie ihr Weltreich errichten können.«
    »Was fällt dir ein, deine Mutter zu belehren?«
    »Verzeiht, ich …«
    Theophanu seufzte. »Schon gut, lassen wir es dabei bewenden.« Erst jetzt bot sie ihm ihre Hand dar, die er dankbar ergriff. Auf dem Weg zu ihrem Zelt schritten sie schweigend nebeneinanderher. Es befremdete Theophanu, dass der Junge sich mit den begangenen Grausamkeiten so leicht abzufinden schien. Andererseits war seine Abhärtung das Ziel der Maßnahme gewesen, ihn mit auf diesen Feldzug zu nehmen.
    Der junge Otto brachte alle Voraussetzungen mit, einst ein großer Herrscher zu sein. Zumindest dann, wenn seine Fantasie nicht allzu oft mit ihm davongaloppierte, dachte Theophanu grübelnd.
    20
    D
    as Gewitter schien vom nahenden Ende der Welt zu künden. Ohrenbetäubend rollte der Donner durch die Nacht, die von grellen Blitzen immer wieder zum Tag gemacht wurde, sodass Jutta einige Sekunden lang klar und deutlich sehen konnte, was um sie herum geschah. Vater und seine Frau lagen steif auf ihrem Lager und starrten in die Höhe, als fürchteten sie, ein Blitz könne die Behausung in ein tosendes Inferno tauchen. Brun zitterte am ganzen Leib und hielt die Augen fest verschlossen. Noch nie hatte Jutta ihn derart verängstigt gesehen. Es war ihr eine Genugtuung, den verhassten Stiefbruder, der sonst immer nur dreist und streitlustig war, so ohnmächtig zu sehen. Guda, die bei ihm Zuflucht hatte suchen wollen, hatte er mit einem Fußtritt verjagt. In ihrer Angst war Guda dann zu Jutta hinübergekrochen, obgleich die Halbschwestern im Alltag einander mieden. Vom Altersunterschied einmal abgesehen, war es Rivalität, die die beiden uneins machte. Guda war Helmprechts Nesthäkchen – Jutta konnte sich nicht erinnern, jemals vom Vater so fürsorglich behandelt worden zu sein wie dieses froschgesichtige Balg. Umso befriedigender war es, die einzige Person im Haus zu sein, die sich in dieser furchtbaren Nacht nicht fürchtete, sodass selbst die kleine Rivalin Zuflucht bei ihr suchte. Gelassen lauschte Jutta dem Donner, der ihr wie eine liebliche Melodie erschien, während Guda und Magda sich beidseits in ihre Arme krallten. Auch Wiljo lag zusammengekauert und winselnd zu ihren Füßen, als sei sie die Trösterin für alle entmutigten Kreaturen.
    »Müssen wir jetzt alle sterben?« Magda nutzte die kurze Pause zwischen zwei Donnerschlägen, um ihre angstvolle Frage loszuwerden.
    »Wo denkst du hin? Ich bin doch bei dir, kleine Schwester. Soll ich dir eine Geschichte erzählen?«
    »Ja, bitte. Eine Geschichte.«
    Spätestens als der Morgen anbrach, wurde offenbar, dass die Welt dem Untergang noch einmal entronnen war. Wärmend stieg im Osten eine goldene Sonne über die Wipfel. Legionen von Vögeln sangen vergnügte Lieder. Die Nacht war vorüber, nichts war mehr übrig geblieben von dem Schrecken, der den Fortbestand von allem, was atmete, infrage gestellt hatte. Nach einem kargen Frühstück trieb Helmprecht die Familie zur Arbeit. Das Getreide auf dem Feld hatte das Unwetter zu Helmprechts Erleichterung überraschend gut überstanden.
    Gegen Mittag schaute Wirich vorbei, um mit seinem Freund einen Plausch zu halten, aber auch Ursel und die ­Kinder waren froh über die Abwechslung und versammelten sich um ihn. Ein Gewitter vom Ausmaß der vergangenen Nacht hatte es noch nie gegeben, war man sich einig. Unweit des Forsthauses, so berichtete Wirich, sei der Blitz eingeschlagen, zum Glück sei nur der alte Schuppen abgebrannt. Ein Streifgang durch den Wald habe ihm aber gezeigt, dass nicht nur sein Schuppen den Himmelsflammen zum Opfer gefallen sei.
    »Ihr kennt doch die uralte Eiche in der Nähe des Teufelsbuckels«, berichtete er. »Vorhin war ich dort. Ihr glaubt ja nicht, was der Blitz mit dem Baum

Weitere Kostenlose Bücher