Rosen für die Kaiserin
erinnert mich hier an meine Heimat. Nicht allein wegen der vielen griechischen Kaufleute, die hier siedeln, es sind nicht die Kirchen der Stadt, nicht der behäbig düstere Rheinstrom, nicht die nahen Wälder, die alt sind wie die Zeit: Die Heiligen sind es, die mich an diesem Ort so gern verweilen lassen. Den in Byzanz hochverehrten Ärzteheiligen Pantaleon, Cosmas und Damian ist das Kloster geweiht. Vor Jahrhunderten erlitten sie den Tod der Märtyrer, da sie Gott in der Bedrängnis treu blieben und die Marter nicht scheuten. Sterbend betete Pantaleon für seine Verfolger. Diesen Männern Gottes fühle ich mich verbunden. Es ist, als wirke aus den ehrwürdigen Gebeinen eine wundersame Kraft auf mich ein, sobald ich vor dem Altar des Pantaleon bete.
Hier will ich dereinst bestattet sein, denn so habe ich es verfügt. Ich spüre, dass ich kein hohes Alter erreichen werde, der Herr ist so gnädig, mir dies durch Zeichen kundzutun. Meine Genesung wird nicht von Dauer sein. Viele Jahre sind mir nicht mehr vergönnt, auch wenn die Ärzte sich winden, mir dies ins Angesicht zu sagen. Mag mein Leib auch kränklich sein, mein Wille ist es nicht. Thron und Herrschaft sollen meinem Sohn gesichert sein, wenn ich den letzten Atemzug mache. Mich bis dahin mit Euch im Gebet verbunden zu wissen, werter Freund, ist mir große Aufmunterung.
Wie Ihr wohl bemerkt habt, habe ich diesen Brief eigenhändig verfasst; zu viele Vertraulichkeiten sind darin notiert, um einen Schreiber damit zu beauftragen.
Der Herr segne Euch!
*
Rom, Dezember anno 989
Nach einer Weile kamen die Tränen. Theophanu konnte nichts dagegen tun, plötzlich rollten sie über ihre Wangen. Damals, an Ottos Totenbett, war sie noch stark gewesen, doch nun brachen alle Dämme. Schluchzend sank sie an seinem Sarkophag in sich zusammen. Die Bilder der Vergangenheit ließen sie nicht los, ihre Gebete verstummten. Nie war ihr so elend zumute gewesen. Mit einem kraftlosen Kopfschütteln bedeutete sie der besorgten Eunice, sich nicht weiter um sie zu kümmern. Leise zog die Dienerin sich zurück, blieb aber in der Nähe. In der päpstlichen Kathedrale war es kühl, woran auch die zahlreichen Kohlebecken, die man für die Kaiserin entzündet hatte, nichts zu ändern vermochten. Kerzenlichter flackerten unruhig in den Wandhalterungen. Und doch, dies war der Ort, wo Otto und sie an einem mildsonnigen Frühlingstag vor langer Zeit inmitten einer glanzvollen Festgesellschaft den Ehebund geschlossen hatten.
»Mein Liebster«, flüsterte Theophanu, mit den Händen den kalten Marmor des Sarkophags liebkosend, »es ist so düster ohne dich.«
Sechs Jahre – wie war es ihr bloß gelungen, in dieser langen Zeit keine Träne zu vergießen?
Sie stellte sich vor, wie der Gemahl sie in der Ewigkeit empfangen würde. Gleißendes Licht umstrahlte ihn. Er streckte lächelnd seine Rechte aus, die sie zitternd ergriff. »Geliebteste, nun sind wir wieder vereint!«, sagte er.
Für immer und ewig und Gott ganz nah! Die Sorgen der Welt waren so fern wie die Sterne. Keine Bürde lastete mehr auf ihren Schultern. Bei dem Gedanken kam sie zur Ruhe. Allmählich versiegten die Tränen. Sie ging in sich, kniete nieder, um ein weiteres Gebet zu sprechen.
Zwei Stunden mochten vergangen sein, als sie sich erhob, den Schwindel missachtend, der sie überkam. Eunice trat näher, zupfte das zerknitterte Kleid der Herrin zurecht.
»Das Wangenrot, es ist zerlaufen unter Euren Tränen«, flüsterte sie.
»Wir wollen heute nicht darauf achten«, entgegnete Theophanu. Ihre Stimme klang heiser, aber sie fühlte sich erleichtert.
»Ihr habt geweint!«
»Ja, Eunice. Ich habe geweint.«
»Es ist nicht gut, wenn Ihr weint.«
»Wegen des Eides? Ach, Eunice, ich glaube, es war ein törichter Eid.«
Eunice erwiderte nichts, doch ihr Blick hieß die Worte keinesfalls gut.
Wie sehr sie leidet, dachte Theophanu und bereute, die Dienerin nicht wie den jungen König in Mainz zurückgelassen zu haben. Sie hätte es ihr einfach befehlen sollen.
»Lass uns einen Spaziergang machen, Eunice.« Ihr stand der Sinn nach freiem Himmel.
Vor der Peterskirche, auf den Stufen zum Portal, warteten ihre Leibwächter. Auch einer der Hofbeamten hatte sich dort eingefunden.
»Der Stadtpräfekt wartet auf Euch im kaiserlichen Palast, Augusta «, verkündete er, sich tief vor der Kaiserin verbeugend.
Theophanu unterdrückte ein Stöhnen. Es war ihr gänzlich entfallen, dass sie dem Crescentius für den heutigen Tag eine
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