Rosen für die Kaiserin
heiraten. Auf keinen Fall will ich das. Eher wünsche ich mir die Blattern.«
Wieder eine nutzlose Widerrede. Aber wenigstens hatte sie ihren Willen offen kundgetan. Anderenfalls wäre sie daran erstickt.
»Du wirst tun, was ich dir sage.«
»Brun ist ein Widerling.«
»Er ist noch viel zu gut für dich. Ich will nie wieder ein schlechtes Wort aus deinem Mund über ihn hören. Hast du mich verstanden?«
Jutta schluckte. Es machte sie rasend, dass Brun leise vor sich hin kicherte. »Es hat dir wohl nicht gefallen, dass ich mich gestern am Brunnen mit Gerwin unterhielt, nicht wahr, Vater?«
»Hast dir nicht mal die Haare bedeckt. Nur Dirnen sprechen so mit fremden Männern.«
»Du nennst mich eine Dirne?«
»Ich bin dein Vater und darf zu dir sagen, was ich will. Ein Wolfsjäger – was ist das für ein Umgang?«
»Würdest du das auch deinem Freund Lupus so offen ins Gesicht sagen?«
Helmprecht ließ eine Faust auf den Tisch krachen. Ursel und die Mädchen zuckten zusammen, Brun dagegen amüsierte der Disput.
»Sonntag ist Hochzeit, ob dir das gefällt oder nicht. Ich hab leider versäumt, dir Zucht und Ordnung beizubringen. Aber deine Zuchtlosigkeit werde ich dir notfalls noch ausprügeln, das verspreche ich dir.«
»Zuchtlosigkeit?« Jutta lachte bitter auf. » Du sprichst von Zuchtlosigkeit, Vater?« Sie beugte sich vor, sah ihm fest in die Augen. »Glaubst du vielleicht, ich wüsste nicht, dass du und Ursel es schon miteinander getrieben habt, noch bevor du meine Mutter heiraten musstest? Mutter war ja schwanger von dir, stimmt’s? Gab es damals eigentlich sonst noch Frauen, die es dir angetan hatten, oder waren es nur die beiden?« Im Lauf der Zeit war es Jutta gelungen, sich manches zusammenzureimen. Ihre Wut auf den Vater war zu groß, um es weiter für sich zu behalten, auch wenn sie wusste, dass ihr das nicht gut bekommen würde.
Helmprecht war bleich geworden. Ursel sah ihn weinerlich an.
»Lässt du dir das gefallen?«
Der Herr des Hauses erhob sich, seine Fäuste waren geballt. Taumelnd ging er um den Tisch herum. Jutta wandte ihm ihr trotziges Antlitz zu. Der Schlag traf sie hart am Jochbein.
»Sonntag!«, bellte der Vater, gleich einem Richter, der einem Halunken das Todesurteil spricht.
»Eine hübsche Braut werde ich sein. Mit einem Veilchen im Gesicht.«
Helmprecht verließ das Haus, gefolgt von Ursel und der kleinen Guda. Auch Brun schickte sich an zu gehen. »Wirst schon lernen, mich zu ehren, Kröte«, raunte er ihr zu. »Vergiss diesen Schönling von einem Wolfsjäger. Ich freu mich schon auf dich«, ergänzte er und leckte sich die Lippen. Ein anzügliches Liedchen summend, folgte er den anderen. Nur Magda blieb bei Jutta zurück.
»Vielleicht wird’s ja gar nicht so schlimm«, versuchte die Elfjährige ihre ältere Schwester zu trösten. Aber Jutta schüttelte den Kopf.
»Nichts könnte schlimmer sein, als Brun zu heiraten«, widersprach sie.
Magda ging zu ihr, schmiegte sich an sie. »Aber es gibt nichts, was du dagegen machen kannst.«
»O doch, kleine Schwester.«
»Willst du etwa fortlaufen?«
Jutta fasste sie sanft unterm Kinn. »Erinnerst du dich an die Geschichte, die ich dir einmal erzählt habe? Die von den beiden Schwestern, die einen Schatz besaßen und sich aufmachten, um die schöne Kaiserin zu suchen?«
»Gewiss, ich erinnere mich. Aber was …?«
Jutta brachte sie zum Schweigen, indem sie ihr sanft einen Finger auf den Mund legte. »Wirst schon sehen, Magda, wirst schon sehen.«
Vier Tage blieben ihr noch bis Sonntag. Zeit genug, ihren lang gehegten Plan endlich in die Tat umzusetzen.
Die Schwestern verließen ihre Heimat am helllichten Tag. Helmprecht wähnte sie auf dem Acker, wohin er sie zum Unkrautjäten geschickt hatte. Jutta aber hatte sorgfältige Vorbereitungen getroffen. Ein Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten lag längst bereit; auch den Schatz hatte sie inzwischen geborgen. Damals, nach dem Fall der uralten Eiche, hatte sie ihn in einem ausgehöhlten Baumstumpf versteckt, mitten in einem Sumpfgebiet unweit des Teufelsbuckels, wohin kein Mensch, der noch bei Sinnen war, sich wagte.
Nur wenig Mühe hatte es sie gekostet, Magda die Flucht schmackhaft zu machen. Welches Kind wäre nicht Feuer und Flamme gewesen, nach allem, was sie ihr erzählt hatte? Nimwegen hieß ihr Ziel. Noch nie war Jutta mehr als einige Meilen von zu Hause fort gewesen, aber sie wusste, dass sie sich nordwestwärts halten musste. Sie war froh, nicht alleine zu
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