Rosen für die Kaiserin
war, hab ich eine Schlange totgeschlagen. Es hat mir nichts ausgemacht.«
»Von einer Wolfsjägerin hab ich nie zuvor gehört.«
»Alles geschieht irgendwann zum ersten Mal. Sieh her, ich trage sogar einen Wolfszahn um meinen Hals.« Sie zog das Lederhalsband aus ihrem Ausschnitt. »Den hat Lupus mir einmal geschenkt.«
»Das sieht ihm ähnlich.« Gerwin lachte und streichelte dem alten Wiljo, der sich neugierig zu ihnen gesellte, über den Kopf. »Dein Vater würde dich niemals ziehen lassen«, sagte er dann leise.
Jutta spürte mit Unbehagen, dass das Gespräch sich allmählich ihrer Kontrolle entzog. Sie mochte Gerwin – womöglich war sie sogar in ihn verliebt! –, und auch der Gedanke, frei wie ein Vogel durch die Welt zu ziehen, gefiel ihr im Grunde. Aber mit dem Traum, dem sie seit Langem nachhing, hatte ein solches Leben nichts gemein. Sie wollte schöne Kleider tragen, köstliche Speisen essen, sich im Umkreis hoher Herrschaften bewegen. Seitdem sie den Schatz besaß, war kein Tag vergangen, an dem sie nicht in solcherlei Vorstellungen geschwelgt hätte.
Gerwin passte nicht in ihre Planungen, er kam mehr als nur ungelegen. Leider. Schon morgen würden er und Lupus weiterziehen. Es war töricht, ihr Herz an ihn zu hängen.
»Vielleicht hast du recht«, murmelte sie deshalb, »es würde mir doch etwas ausmachen, Wölfe zu töten.«
Gerwin nickte ernst. »Wölfe sind keine Schlangen.«
»Nicht die Wölfe haben Eva dazu verführt, von den verbotenen Früchten zu nehmen.«
»Nein, so verschlagen sind sie nicht.«
Sie lauschten dem Singen der Vögel. Wiljo lag zusammengerollt zu ihren Füßen und genoss die letzten Sonnenstrahlen.
»Schlangen sind widerlich«, meinte Jutta nach einer Weile.
»Ja, das sind sie.«
»Es macht mir nichts aus, sie zu töten. Aber Wölfe? Auch wenn sie Lämmer reißen, sie tun’s ja nur, um nicht zu hungern.«
»Auch mir fällt es manchmal schwer. Aber es ist jetzt mein Beruf.«
»Vielleicht findest du eines Tages eine Wolfsjägerin, die du heiraten kannst.«
»Ja, vielleicht. Vermutlich aber nicht.«
Vom Haus her erhob sich eine Stimme. Helmprecht stand an der Tür und sah missmutig zu ihnen herüber. »Was schwatzt du denn da so lange? Wo bleibt das Wasser?«
»Wir haben ihn wohl verärgert«, flüsterte Gerwin ihr zu.
»Er kann so widerlich wie eine Schlange sein«, entgegnete Jutta bitter.
Als sie mit dem Wassereimer zum Haus zurückkehrte, stand Helmprecht immer noch breitbeinig im Türrahmen und starrte sie finster an, als habe er sie bei etwas Verbotenem ertappt.
Am Abend des folgenden Tages – Lupus und Gerwin waren in der Frühe aufgebrochen – verhieß Helmprechts Gesicht nichts Gutes. Alle saßen am Tisch versammelt und aßen schweigend Brot und Käse. Helmprecht kaute unentwegt an einem Stück Rinde, als habe er vergessen, es zu schlucken, während sein Blick mit kalter Entschlossenheit das Holz des Tisches fixierte. Auch Ursel mied jeglichen Blickkontakt. Was immer Helmprecht durch den Kopf ging, Ursel war offensichtlich eingeweiht. Brun indessen grinste immer wieder blöd zu Jutta hinüber; dass er es noch häufiger tat als sonst, war gleichfalls merkwürdig. Nur Magda und Guda verhielten sich unauffällig, verschlangen hungrig ihre Rationen.
Schließlich, nachdem alle gegessen hatten, räusperte sich Helmprecht. »Ich hab was zu verkünden!«
Bruns Grinsen wurde noch dümmlicher.
»Kommenden Sonntag werden wir Hochzeit halten!«
Jutta beschlich eine trübe Vorahnung. »Wer heiratet denn?«, fragte sie blinzelnd.
»Dumme Frage, du und Brun natürlich. Der Grundherr ist einverstanden. Pater Roland ist schon benachrichtigt, er wird die Trauung vornehmen.«
Ein Schlag in die Magengrube hätte nicht so schmerzlich sein können wie diese Worte. »Aber … Brun ist doch mein Bruder.« Jutta wusste, wie nutzlos ihr Einwand war. Schwindel erfasste sie.
»Ihr seid nicht blutsverwandt. Einer Hochzeit steht nichts im Weg, sagt der Pater. Am Sonntag!« Helmprecht betonte jedes Wort und sah der Tochter drohend in die Augen. Offenbar erwartete er Widerspruch. Brun machte einen Kussmund in ihre Richtung. Am liebsten hätte Jutta ihm etwas ins Gesicht geworfen.
Sie fasste sich, überwand ihre Ohnmacht. Mit einem Mal wurde ihr klar, dass es für den Vater schon seit Langem beschlossene Sache war. Nur hatte er nie darüber gesprochen, zumindest nicht mit seiner Tochter. Auf diese Weise blieben ihm vier arbeitende Hände erhalten.
»Ich will Brun aber nicht
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