Rosen für eine Leiche (German Edition)
gelegen und mich mit angewinkelten
Beinen am Boden gewunden und war nicht mehr hochgekommen. Selbst der
untersuchende Amtsarzt hatte mir nicht helfen können. Monatelang hatte ich mich
wie ein alter, kranker Mann gefühlt. Eine selbst bezahlte Kur in Abano Terme,
Krankengymnastik, schließlich die Operation – nichts half. Viel zu früh
für meinen Geschmack wurde ich zum Ruhestand gezwungen. Seither musste ich
sehen, wie ich damit klarkam.
Lolas Hand mit der Zigarette zitterte. Sie kaute an der Unterlippe.
»Du bist doch gern Polizist gewesen. Das war dein Leben. Mensch, Joe, was ist
in dich gefahren, wo lebst du denn? Bist du ein erwachsener Mann oder bildest
du dich zum Kind zurück?«
Ich sah, wie ihre Augen nass wurden. Gott, wie ich diese Frau
liebte. Bilder tauchten auf. Ich spürte Lolas Atem an meinem Nacken, wenn sie
neben mir im Bett lag. Der schnelle, verrutschte Kuss, wenn sie sich verabschiedete.
Die Umarmung unter der Tür, wenn sie verklebt aus ihrer Tretmühle beim
Fernsehen kam. Die Leberflecken, die wie kleine Käfer zwischen ihren
Schulterblättern hingen. Ihre merkwürdig großen Füße, die jede Verkäuferin beim
Schuh-Reindl in Panik versetzten.
Warum nahm ich Lola nicht einfach in den Arm? Was hinderte mich, ihr
Eis mit Wärme aufzutauen? Ich glaube, für diesen Bruchteil einer Sekunde war es
reine Feigheit. Die Furcht, von ihr abgewiesen zu werden.
Ich schaffte es schließlich, ein schüchternes »Ich liebe dich« über
die Lippen zu bringen.
Sie schien mich nicht zu hören. Sie wirkte wie in Trauer. Trauer
kann ein Gesicht hohl machen, ihm den Ausdruck rauben. Unbekannte Linien
meißeln und weiche Konturen verhärten. Mit schwacher Stimme sprach Lola weiter.
»Ja, ich bin eifersüchtig, Joe. Eifersüchtig auf einen unernsten
Kindskopf. Ist’s diese Chili oder ist’s die mit der Tasche oder sind’s alle
beide?«
Lola hielt den Atem an. Sie behielt mich im Blick. Dann ließ sie die
Luft in Stößen wieder heraus.
»Ich kenn mich nicht mehr aus. Ich hab kein Vertrauen mehr. Was ist
los mit dir?«
In diesem Moment klingelte mein Telefon.
»Lass es klingeln«, sagte sie.
Meine Ahnung war stärker. Ich nahm ab.
Es war Scholl vom K1.
»Es gibt Neuigkeiten«, sagte er. »Wollen Sie sie hören? Heute um
sechzehn Uhr dreißig in der Pressekonferenz. Ist mir lieber, Sie sind dabei,
als wenn Sie es in der Zeitung lesen. Ich lade Sie ein.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Absolut«, hörte ich mich sagen.
Ein schuldbewusster Blick flog zu Lola hin. Sie hatte sich eine neue Zigarette
angezündet.
Ich konnte es nicht fassen. Die berühmte Lola Herrenhaus war
eifersüchtig. Eigentlich sollte mir das schmeicheln. Eifersucht, die Angst vor
dem Vergleich. Dabei hatte Lola weder einen Grund dazu, noch brauchte sie einen
Vergleich zu scheuen. Ich hatte sie noch nie in solch einem Zustand erlebt.
Trotzdem – jemanden, der an Eifersucht erkrankt ist, wieder in die
Normalität zu bringen, hielt ich für mindestens ebenso schwierig, wie Herrn
Huber zu bewegen, sich einen Wurstvorrat anzulegen.
Doch auch jetzt hatte sie sich wieder in der Gewalt. Von einer
Minute zur anderen schien sie vollkommen beherrscht. Ich beschrieb Lola, wie
ich am selben Morgen mit Hilfe der zwei Pfarrer an die Handtasche gekommen war.
Und ich betonte, dass diese Tasche aller Voraussicht nach der toten Frau
gehörte, denn das Foto auf dem Ausweis zeigte eindeutig ihr Gesicht.
Damit hatte Lola Herrenhaus noch vor der Polizei Kenntnis von der
Identität der Toten.
»Ich geh«, sagte Lola.
»Bleib doch«, bettelte ich.
»Ich geh in die Küche«, sagte sie. »Und du mixt mir einen Campari
Soda.«
Mit dem Glas in der Hand schwang sie sich auf die Arbeitsplatte
neben dem Herd. »Ich bin froh, dass das mit der Tasche geklärt ist«, sagte sie.
Mehr sagte sie nicht. Doch ausgestanden war die Sache noch lange
nicht, das war mir klar.
Auf der Fahrt zur Pressekonferenz machte ich einen Umweg
über Litzldorf. Ich wollte den Fundort noch einmal untersuchen. Herr Huber
strich mir um die Beine. Zweige waren abgeknickt, etwas Gras war zertrampelt,
aber das war nichts Besonderes. Ich hob eine Zigarettenkippe auf, die herumlag,
und packte sie in Plastik. Nichts Aufregendes also, reine Routine. Mehr hatte
ich, um ehrlich zu sein, auch nicht erwartet. Den Rest musste die
Spurensicherung erledigen.
»… und begrüße den früheren Chef der Münchener
Mordkommission, Kriminalrat a.D. Josef Ottakring, in unserem
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