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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Stand, bevor Lola mich an diesem Tag besuchen kam. Wir
hielten es meist so, dass sie zu mir nach Neubeuern kam, weil sie hier unter
weiß-blauem Himmel, mit den Bergen in Sichtweite und in der guten Luft besser
abschalten konnte als in der Stadt. Mich hingegen zog München wenig an,
höchstens ein Besuch in der Oper, ein Kirchenkonzert oder eine Ausstellung
konnten mich locken.
    An diesem Vormittag hatte sie Redaktionskonferenz, ich erwartete sie
am späten Nachmittag. Wir hatten uns kaum geküsst, da fiel ihr Blick auf die
lilafarbene Tumi-Tasche in einer Ecke der Ledercouch. Eine andere Frau wäre
womöglich elektrisiert gewesen und hätte wissen wollen, wie eine fremde Damenhandtasche
auf meinen Tisch gelangt. Lola aber sagte leichthin: »Gut, dass ich sicher bin,
dass meine auf dem Beifahrersitz liegt.«
    Das klang harmlos. Doch ich hätte es wissen müssen. So leicht kam
ich nie davon. Ihre Augen funkelten bedrohlich.
    »Wer ist die Frau?«, fragte sie mit ihrer Fernsehstimme.
    Ich blickte aus dem Fenster.
    »Welche Frau?«, fragte ich zurück.
    Sie brachte ein Parfümfläschchen zum Vorschein. Jil Sander, Chilis
Lieblingsparfüm. Lola schwenkte es auf halber Höhe hin und her.
    Chili musste es in der Gästetoilette vergessen haben.
    »Na?«, sagte sie. Ihre hohe Stirn lag in Falten.
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Muss jemand vergessen haben.«
    »Ach?«
    Eine Aura umgab sie wie die einer Kobra vor dem Angriff.
    »Deine Putzfrau vielleicht? Tu nicht so. Du weißt genau, was ich
meine«, sagte sie und schnippte mit dem Finger hin zu der Tasche.
    »Ja mei«, entfuhr es mir. Hilflosigkeit pur.
    »Hör zu«, sagte sie und warf sich in einen Sessel, »hör mir einfach
zu. Weißt du, warum ich mit dir zusammen bin? Ja, auch, weil ich glaube, dich
zu lieben, deswegen auch. Aber ich bin gekommen, weil du mir leidtust. Weil ich
weiß, wie sehr du unter dem Nichtstun leidest. Hast du schon einmal bemerkt,
wer von uns beiden den anderen anruft? Nein? Ich bin’s, die dich anruft. Die
sich immer wieder meldet. Und ich warte auf einen Anruf von dir, aber du lässt
nichts hören. Tagelang nicht. Bis zum nächsten Sonntag nach der Sendung. Ja, da
meldest du dich dann einmal.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. Ihr
Tonfall blieb beherrscht. »Und dann denk ich, du bist wieder mit dieser Chili
unterwegs, beruflich natürlich nur. Du hast mich belogen, Joe, du hast mich
verletzt, ich sitze da und warte und heul wie eine Zwölfjährige, weil ich denk,
du willst mich los sein.«
    Lola sprang auf und beugte sich im Flur über ihren Koffer. Als sie
sich wieder umdrehte, hatte sie eine Schachtel Benson & Hedges in der Hand.
Vor gut einem Jahr hatte sie mit dem Rauchen Schluss gemacht.
    Ich machte eine Bewegung, unbeholfen wahrscheinlich.
    Sie paffte den Rauch in meine Richtung und sagte: »Deswegen bin ich
heut zu dir gekommen. Ich hab’s nicht mehr ertragen, dass du ständig abwesend
bist. Ich hasse dein verdammtes Scheißschweigen unter der Woche. Und diese
verdammte schleichende Ungewissheit.«
    Ihre kleine Faust landete krachend auf der Tasche. Der Verschluss
sprang auf, der Inhalt schlitterte über das Leder. Mit spitzen Fingern pflückte
Lola den Personalausweis von der Couch.
    Entsetzen packte mich. Ich schoss hoch. »Du vernichtest
Beweismittel«, sagte ich und versuchte, ihre Hand zu ergreifen.
    Elegant wehrte sie ab. »Sie wohnt in München. Steht hier drauf.
Schwarz auf weiß.«
    »Lola, hör mir zu …«
    Mit den Fingernägeln schnalzte sie gegen das Plastik des Dokuments.
»Wieder so eine so wie diese Chili. Diesmal in München. Sie wohnt gar nicht
weit weg von mir. Kennst du sie schon lang?«
    Ich gab auf. Wenn ein Angeklagter bei der Vernehmung zu reden
beginnt, soll man ihn reden lassen. Eine alte Regel der Verhörtechnik, die ich
nun umkehrte. Ich war der Angeklagte. Und ich ließ Lola reden. Sie schien das
Bedürfnis dazu und eine Menge Stoff zu haben.
    »Du lachst dir diesen dämlichen Bandscheibenscheiß an, steigst mir
nichts dir nichts aus deinem Beruf aus, ziehst aufs Land und schaffst dir einen
Hund an. Du hast einen Fitnesswahn, rennst jeden Berg hinauf. Suchst du die
Erleuchtung bei diesen spinnerten Tibeterübungen? Fehlt nur noch, dass du dir
eine Jahreskarte fürs Fitnessstudio kaufst und dich unter die Höhensonne
legst.«
    Es war erst kurze Zeit her, dass ich wegen meiner ewigen
Rückenbeschwerden den Dienst hatte quittieren müssen. Wie eine hilflose
Schildkröte hatte ich oft auf dem Rücken

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