Rosen für eine Leiche (German Edition)
nimmer.«
Wenn Pauli erst einmal am Erzählen war, gelang es niemandem, ihn zu
bremsen. Seine Langatmigkeit, die sich durchaus mit knapperen Fassungen
abwechselte, konnte einen manchmal in den Wahnsinn treiben.
»Hast du ihr denn Geld geboten?«, fragte ich ihn.
»Ja freilich. Hundert Euro. Aber dazu erst später. Ob der Giorgio
einen Grund gehabt hat, Helen umzubringen, hab ich sie gefragt und so getan,
als ob ich die ganze Bande kenne. Ob die Helen vielleicht oft fremdgegangen
ist. Ob sie spielsüchtig war. Oder ob sie vielleicht einen Freund gehabt hat.«
Da hat sie den Kopf schief gelegt und hat mich angesehen.
›Was interessiert dich das?‹, hat sie mich in ihrem Hasenberglerisch
gefragt. ›Ich denk, du willst mir eine Rolle anbieten?‹
Und da hab ich zugelangt und ihr den Schein hingehalten.«
Ich hörte ein Feuerzeug am anderen Ende klicken und Pauli einen
tiefen Zug machen.
»Um’s kurz zu machen …«, fuhr er fort.
Das war neu.
»›… ich hab nicht so viel Zeit, um mit dir zu tratschen‹, hab
ich gesagt. Jedenfalls hat die Sorolla mir nachher aus der Hand gefressen. Schließlich
hab ich aus ihr rausgekriegt, dass der Bellini die Bilder von jemand anderem
hat malen lassen und sie dann unter Helen Esterdings Namen verkauft hat. Das
war definitiv, das hat sie ganz sicher gewusst, die Kleine.
›Das mit dem ganzen Malerscheiß von ihm, das war doch nicht ihr
Ding‹, hat die Ava Sorolla gesagt. ›Nein, eine Malerin war Helen nicht.
Künstlerin vielleicht schon, aber nicht als Malerin.‹ Dabei hat sie gelacht.«
Es folgte eine Pause. Ich war mir sicher, dass Pauli in diesem
Moment die Zigarette ausdrückte und mit der linken Hand an den drei Nadeln im
Ohr herumspielte.
»Und weißt du, was sie am Schluss zu mir gesagt hat?«
Wieder eine Pause.
»›Und was machen wir heut Nacht zusammen?‹, hat sie gesagt. Aber da
hab ich keinen Bedarf gehabt.«
Wieder dieses Zeitungsrascheln.
»So. Und als ich dann unten auf der Harley gesessen bin und die
Zündung eingeschaltet hab, hab ich den Kiosk auf der anderen Straßenseite
bemerkt. Da hab ich mir dann die Bild gekauft. Die Schlagzeile ›Rosenheimer Herbstfestmörder gefasst‹ ist mir gleich
aufgefallen, ich hab auch sofort an dich denken müssen. Und jetzt weißt du
Bescheid! Servus!« Damit legte Pauli auf.
»Ottakring, ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie mir mit
Ihrer Tour auf die Nerven gehen?«
Schon an Scholls Tonfall merkte ich, dass etwas nicht in Ordnung
war.
»Welche Tour?«, sagte ich durchs Telefon, obwohl ich ahnte, worauf
der Rosenheimer Kripochef hinauswollte.
»Wieso fassen die Münchener unseren Mörder? Ich werd von Ihrem
Nachfolger angerufen, der mir was von Amtshilfe ins Ohr säuselt. Da müssen Sie
doch dran gedreht haben. Ich sag’s Ihnen, wie’s war. Sie haben diesen Priegel
doch damals gefasst, vor über zwanzig Jahren. Dann kam Ihnen die
Zeugenbeschreibung von dem Ziehharmonikaspieler auf dem Herbstfest bekannt vor,
Sie haben im Tathergang Parallelen gesehen. Hätt ich Sie bloß nicht an der
Vernehmung teilnehmen lassen. Warum haben Sie nicht mir den Tipp gegeben? Warum
geben Sie den Hinweis an die Münchener? Ich sag’s Ihnen, das ist das letzte Mal
gewesen, dass ich Sie bei uns habe mitwirken lassen. Und noch was sag ich
Ihnen: Ich empfinde das Ganze als feindlichen Akt.«
»Zorn ist ein Windstoß, der das Licht der Vernunft ausbläst«, sprach
ich leise ins Telefon. Dabei fiel mir ein, dass ich heute noch gar nicht meine
Tibeter gemacht hatte.
»Was?«, bellte Scholl.
»Ach nichts«, sagte ich. »So, wie Sie vermuten, ist’s jedenfalls
nicht gewesen. Nicht im Entferntesten.« Ich hatte keine Lust auf weitere
Vorwürfe und auch nicht auf Rechtfertigungen. »Ist’s nicht einfach nur wichtig,
dass er gefasst ist?«, sagte ich. »Ist er eigentlich schon überführt?«
Ich hörte Scholl schnaufen. »Das werd ich Ihnen grad noch erzählen«,
sagte er.
Mitleid ist legale Schadenfreude, dachte ich und sagte: »Wissen Sie
was, Scholl? Bevor Sie der Schlag trifft, lad ich Sie auf ein Bier zum ›Santa‹
ein. Vertragen wir uns wieder.«
»Das könnt Ihnen so passen«, schnaubte er. »Sie haben wirklich eine
Art, einen so richtig aufzubauen.«
Ich blieb vollkommen gelassen. Pensionär zu sein ist eine ausgesprochen
angenehme Alterserscheinung.
»Joe? Willst du’s hören?«
»Egal was, ja, Pauli, ich will’s hören.« Ich hielt das Telefon nah
ans Ohr.
»Ich bin ein bisserl um die Häuser gegangen. Wegen
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