Rosen für eine Leiche (German Edition)
und ließ mich stehen.
Der Typ kroch auf Knien hinter ihr her.
Eines schätzte ich an Pauli sehr: seine Diskretion. Als er
zurückkam, zupfte er an seinen Ohrringen herum und fuhr im Gespräch fort, als
sei nichts geschehen. »Bellini hat von einem Auftragsmaler, der für ihn
gearbeitet hat, eine neue Masche extra für Helene Aberl kreieren lassen. Das
hat so funktioniert, dass dieser Maler dem Lappen, mit dem er seinen Pinsel
gereinigt hat, mit Holzleim eine Form gegeben hat, einen Rahmen drum herum
gezimmert und das Werk ›Kreation ohne Titel‹ getauft hat. Dem sensationell
neuen Stil hat Bellini den Namen ›Okkulter Realismus‹ gegeben und seiner
Gründerin den Namen Helen Esterding.«
Wir waren aus dem Aufzug gestiegen und die paar Schritte zur
Tiefgarage zu Fuß gegangen, ich mit gesenktem Kopf, Pauli mit sprechenden
Händen.
»Bellini hat die Frau am laufenden Band betrogen. Er hat von ihrer
Vergangenheit als Pornodarstellerin gewusst. Was er zunächst nicht gewusst hat,
war, dass auch sie andere Männer hatte. Sozusagen als Rache für seine
Eskapaden. Als er es schließlich herausbekam, hat sie ihn genau in diesem
Glauben gelassen. Denn was ihm wiederum verborgen geblieben ist, war, dass
seine Helen Esterding inzwischen als Callgirl gearbeitet, ein eigenes kleines
Vermögen angehäuft und sich in der Szene ›Nadine‹ genannt hatte. ›Nadine‹ war
in kurzer Zeit zum Begriff geworden. Nebenbei: Daher übrigens auch die gute
Bekanntschaft mit Ava Sorolla. Trotzdem heißt es heute noch, Helen habe einen
festen Freund gehabt.«
Er verabschiedete sich mit den Worten: »Also wenn du mich fragst:
Wenn ich in Bellinis Haut gesteckt hätte, hätte ich das Weib auch umbringen
können.« Er sah mich aus funkelnden Augen an. »Ich hätte sie allerdings
erwürgt.«
Ich war dabei, Herrn Hubers Fell zu bürsten. Wenn ich
damit fertig war, wollte ich Olga anrufen. Etwas war falsch gelaufen, da gab
ich Scholl recht, doch wie ich Olga einschätzte, war nicht sie die Ursache. Ich
war gerade am Schwanz des Hundes angekommen, da läutete das Telefon.
»Christnacht hier«, sagte eine Frauenstimme. Die Frau sprach sehr
leise.
»Woher haben Sie meine Nummer?«, fragte ich, meine Überraschung
verbergend. Christnacht, der Getötete vom Herbstfest.
Seine Witwe lachte zaghaft. »Ganz einfach, von der Auskunft. Ihren
Namen gibt’s nur einmal in dem Ort.«
Warum sie nicht bei der Kripo angerufen habe, fragte ich sie.
Sie dachte, ich sei die Kripo. Aber ich hörte gleich heraus, dass
sie Scholl nicht mochte und deswegen nicht mit ihm reden wollte. Ihr Mann habe
ein sehr seltsames Leben geführt, sagte sie, und sie wolle mir einfach diese
Information geben.
»Welche Information?«, fragte ich.
»Na, das mit dem seltsamen Leben von meinem Mann.«
»Warum?«, wollte ich sie noch fragen. »Der Mörder ist doch gefasst.«
Doch da hatte sie schon aufgelegt.
Scholl würde ihre Adresse kennen.
Ich rief ihn an und berichtete von dem Anruf. Anschließend stand ich
vor dem verglasten Bischofsschrank im Flur und bewunderte mein Ebenbild.
Was für ein ehrenwerter Mensch ich doch war!
Hinter dem Wald von Kränen, der über dem Neubaugebiet im
Südwesten von Neubeuern aufragte, breitete die aufgehende Sonne einen violetten
Lichtschein über die Berge und um die Wolken, die sich auf die Gipfel gelegt
hatten. Ich konnte das Schauspiel von meinem Bett aus betrachten, mit einer
Tasse heißer Milch mit Honig in der Hand ans Kopfgestell gelehnt. Müde war ich.
Zu viel war mir durch den Kopf gegangen. Früher hatte ich mit meinen
Mitarbeitern in der Mordkommission nach Lösungen gesucht. Jetzt war ich
Einzelkämpfer.
Mir kam eine Idee. Pauli hatte von Zack Borsody erfahren, dass Helen
Esterding regelmäßig nach Bad Wiessee ins Spielkasino gezogen sein sollte. Ich
führte ein Telefonat, holte Herrn Huber aus dem Garten und den Porsche aus der
Garage und fuhr hin.
»Nein, unsere Gästedatei kann ich Sie leider nicht
einsehen lassen, Herr Ottakring«, erklärte der Direktor mit einer Miene, die
darauf schließen ließ, dass ihm die Antwort im selben Augenblick peinlich war.
Als ich ihn von zu Hause aus angerufen hatte, war ihm sofort klar
gewesen, dass er noch voll in meiner Schuld aus der Münchener Zeit stand. Ich
hatte ihn damals vor öffentlichen Angriffen seiner Frau geschützt. Nun stand er
hinter der noblen Empfangstheke aus Mahagoni vor mir und zierte sich.
»Aber wenn Sie mir einen Namen nennen, könnte ich ja
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