Rosen für eine Leiche (German Edition)
wachte auf von einem Kuss.
»Liebst du mich noch?«, hörte ich eine weiche, kehlige Stimme sagen.
Eine Strähne braunen Haares kitzelte meine Nase. Eine Hand strich
sanft über meinen Kopf. Dann blickte ich in leuchtend goldbraune Augen.
Lolas Augen.
»Warum bringen wir nicht unser Chaos in Ordnung?«, sagte sie und
stellte eine Flasche Champagner mit zwei Gläsern auf dem Nachttisch ab.
Statt einer Antwort vergrub ich mein Gesicht an ihrem Hals.
Sie flüsterte leise Worte in mein Ohr und küsste mich zwischen den
Sätzen überallhin.
Ich setzte mich im Bett auf, um den Champagner mit ihr zu trinken.
Nach jedem Schluck begegneten sich unsere Blicke, und wir sprachen kaum ein
Wort dabei. Wir berührten, berochen und beleckten uns. Als die eine Flasche
leer war, zauberte Lola eine neue hervor. Ich wälzte mich herum und legte den
Arm um ihre Hüfte. Ich schlug die Zähne in ihre nackte Schulter und zog mich in
sie hinein.
Unsere Schreie hallten durch die Wohnung, drangen durch die Fenster
nach draußen, und das Echo von der Hauswand gegenüber hätte durchaus Frau
Steiner, den Notarzt oder gar die Mordkommission alarmieren können. Wir drangen
in bisher noch nie erlebte Tiefen unserer Liebe vor und lagen später ausgepumpt
und verschwitzt nebeneinander auf dem Rücken.
Lola nahm meine Hand und murmelte: »Du hast meine Frage noch nicht
beantwortet.«
»Welche Frage?«
»Liebst du mich noch?«
»Heute Nacht nicht mehr«, brummte ich.
Hannsdieter Loy
ROSENSCHMERZ
Oberbayern Krimi
ISBN 978-3-86358-193-0
»Der Leser erkennt Land und Leute
wieder. Sehr oberbayerisch!«
Bayern 1
Leseprobe zu Hannsdieter Loy,
ROSENSCHMERZ
:
PROLOG
Der Tag, an dem die Frau sterben sollte, hatte zeitig
begonnen.
Magda war bei Dunst und Niesel um fünf Uhr in der Früh aufgestanden.
Draußen verwandelte der dünne Regen die Schneedecke in glitschig-eisigen
Matsch. Die Frau warf einen kurzen Blick ins Kinderzimmer, wo ihre
vierzehnjährige Tochter noch fest schlief. Sie ging in die Küche und klickte
auf Bayern 1.
»I liab di, Aal-pähn-ro-osn«, sang Niki Kirchbichler, der bekannte
Volksmusiksänger. Sie schob die Lippen vor, als ob sie schmollte, und summte
die Melodie mit. Nur jetzt, in der Früh, mochte sie solche Schnulzen hören,
später nicht mehr. Plötzliche Windböen ließen das Fenster erzittern. Sie warf
die Kaffeemaschine an. Frühstücken würden sie erst nach der Stallarbeit.
Draußen war es stockfinster. Als die Frau aus der Haustür trat, hörte sie ein
verschlafen-sehnsüchtiges Blöken aus dem Stall. Ihr Gesicht blieb halb im
Schatten. Der kalte, nasse Wind zerrte an ihren Kleidern. Sie zupfte an der Schürze
herum und strich das Kopftuch glatt.
Der Bauernhof stammte aus einer anderen Zeit. Er war ein Haus wie
eine Burg, erbaut aus dem Gestein der Gegend, verwittert über die Jahre durch
Wind, Sonne, Regen und Schnee zu einer undefinierbaren Farbe zwischen Mausgrau
und Maisgelb. Tief drunten lag er in einer Mulde, verschneite Wiesen zu seinen
Füßen und den dunklen Bergwald im Rücken. Aus dem Kamin des Hauptgebäudes stieg
Rauch in den Nachthimmel. Ein schnell fließender, eisiger Bach mäanderte ein
paar Meter talabwärts vorbei.
Magda hörte sein Plätschern, als sie das Foto, das sie ständig mit
sich herumtrug, aus der Schürzentasche zog. Ihre Tochter. Liebevoll strich sie
über das Bild. Es zeigte ihr Madl, das da oben schlief, als Schulanfängerin mit
einer riesigen Tüte im Arm und war schon recht vergilbt. Die Einschulung war
nach der Geburt des Kinds der schönste Tag in ihrem Leben am Hof gewesen. Ihr
Mann, der Bauer, hatte keine Zeit gehabt. Zwei dünne Tropfen machten sich auf
den Weg vom Handgelenk zu den Fingerspitzen. Rasch steckte die Frau das Foto
wieder ein.
Magda war einmal eine begehrte Dorfschönheit gewesen. Groß,
hellbraunes Haar, die Figur proportioniert wie eine Sanduhr. In den Jahren
ihrer Ehe hatte ihre Erscheinung an Strahlkraft verloren. Das Haar war von
grauen Strähnen durchzogen, tiefe Falten pressten ihre Wangen nach unten, sie
wog achtzig Kilo. In ein paar Jahren würde sie ihren fünfzigsten Geburtstag
feiern.
Magda machte einen langen Schritt zum Stall hin. Aus dem Augenwinkel
sah sie ein gleißendes Licht aufblitzen.
»Aaaaahhh!«, schrie sie auf.
Der Futtermischwagen raste aus dem Dunkel mit aufgeblendeten
Scheinwerfern von rechts heran. Auf dem Fahrersitz hinter der spiegelnden
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