Rosen für eine Leiche (German Edition)
Schürze wickeln.«
Harry verfiel in trotziges Schweigen. Ohne zu fragen, griff er in
die Hemdtasche und zündete sich eine Zigarette an. Ich stellte ihm einen
Aschenbecher hin. Wir saßen im Wohnzimmer, Harry von mir abgewandt auf der
hellen Couch, ich im Ledersessel gegenüber. Die Tür zum Arbeitszimmer war
angelehnt.
»Also?«, sagte ich bestimmt. »Warum hast du das getan?«
Er drehte den Kopf in meine Richtung, inhalierte den Rauch aus der
Zigarette mit gespitzten Lippen. Ich hatte schon vor, die Strategie zu
wechseln, da kam Leben in seine Augen.
»Harry«, sagte ich. »Kannst du mich hören? Harry Steiner!«
Er nickte mit gesenktem Kopf.
»Also ja?«
Er nickte wieder. Zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher.
»Ich möchte es hören. Hast du das Feuer dort gelegt? Den Laden vom
Liebermann in Brand gesteckt?«
Er fuhr mit der Zungenspitze durch die Kieferhöhle, was seine Wangen
weitete und seine Narben noch sichtbarer machte.
»Ja«, sagte er schließlich und zündete sich eine neue an.
Harry Steiner rauchte Zigaretten nicht, er fraß sie.
»Du hast dem alten Liebermann eins auswischen wollen, nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »Dem Georg«, sagte er. »Dass der mich nicht
verpfeift. Der sitzt doch.«
Die Logik verstand ich zwar nicht ganz, doch ich wollte mich nicht
weiter auf diesem Nebenkriegsschauplatz aufhalten. »Der Georg hat dir damals
den Kahn besorgt, hab ich recht?«, sagte ich betont lässig.
Jetzt sah Harry mir in die Augen. Er wollte sprechen, das merkte
ich, aber er fand entweder die Worte nicht oder er war kurz vor einem
Tränenerguss. Sein Gesicht sah aus, als würde es von unsichtbaren Händen
zusammengepresst. Die dunklen Ringe unter seinen Augen zeugten von Nervosität
und schlaflosen Nächten. Schon aus der Art, wie seine Mutter mir ihre Sorgen
geklagt hatte, konnte ich schließen, wie sich ihr Sohn in kurzer Zeit verändert
hatte. Dieser Wandel war an seinem Gesicht abzulesen, an seinem Verhalten …
Es würde nicht lange dauern, da würde Harry Steiner zusammenbrechen, da war ich
mir sicher. Er war gewiss nicht der eiskalte Killertyp.
»Magst noch ein Bier?«, fragte ich ihn.
Gierig nickte er.
Harry hatte seine total verdreckten Schuhe draußen im Flur
ausgezogen, das Trachtenhemd über der Brust geöffnet. Mit den Händen in den
Taschen presste er den Rücken gegen die Couch.
»Zuerst hat dir also der Georg den Kahn organisiert. Er ist mit dem
Kahn seines Vaters hinübergerudert, das war nicht weiter auffällig. Der Kahn
wurde nachher nicht etwa geklaut, sondern Georg hat ihn für dich an anderer
Stelle versteckt und behauptet, er sei weg. Stimmt’s?«
Mit Georgs Drogenvergangenheit und seinem Dauerbedarf hatte der
smarte Harry ihn im Griff. Und Vater Liebermann hielt dicht. Manchmal
verwechselte er auch ein paar Fakten. Georg war einfach labil und weder Harry
noch seinem Vater gewachsen.
Harry rutschte auf seinem Hintern hin und her. Fast regelmäßig war
ich früher Leuten begegnet, die froh waren, aussagen zu können. Zuerst haben
sie geschwiegen, gelogen, haben Ausreden erfunden und sich dabei verhaspelt
oder versucht, mir Fallen zu stellen. Von einem bestimmten Punkt an aber
machten sie den Mund auf und wollten die für sie äußerst unangenehme Situation
eines Verhörs schleunigst hinter sich bringen.
So einer war Harry Steiner. Nicht allein Dünnhäutigkeit würde ihn
alles gestehen lassen, sondern seine abgrundtiefe Verzweiflung.
»Dass du die beiden im Boot erschossen hast, Harry, das weiß ich.
Ich weiß bloß nicht, warum. Willst du es mir erklären?«
Vor ein paar Tagen noch hätte Harry sich geziert, womöglich alles
abgestritten. Der Dauerstress jedoch, die Schlaflosigkeit und der Alkohol
öffneten nun alle Schranken.
Er hatte Nadine vorgespielt, er wolle sich bei Giorgio Bellini als
Wachmann bewerben, und sie unter diesem Vorwand in dessen Wohnung gelockt. Dort
band er Bellini an einen Stuhl, drohte ihm, seine Bilder aufzuschlitzen, seine
Wohnung anzuzünden. Helen zwang er, zuzusehen.
»War nicht weiter schwierig. Der Depp war gelähmt vor lauter Angst«,
klärte Harry mich auf. »Die Nadine wollte mich verlassen. Dass sie mit dem
Bellini zusammen ist, das hab ich ja gewusst. Das hab ich noch vertragen
können. Aber wie dann noch der Christnacht dazwischenkam …«
Ich ließ mich von Harry eine Minute lang betrachten. Seine Finger
bewiesen, wie es in ihm arbeitete. Der rechte Oberschenkel pumpte wie ein
Kraftwerk.
Um uns herum herrschte
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