Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
schmetterte dich auf den Boden, schneller als man es erzählen kann. Dann hat er dir auch noch ein paar gehörige Schwinger verpaßt.«
»Ich danke dir, daß du mich geheilt hast, Netterren«, sagte er in der formellen Art, die man ihn gelehrt hatte.
»Du kannst ihm außerdem dafür danken, daß er dir sein Zimmer überlassen hat«, warf Jane ein. »Wenn man es ein Zimmer nennen will.«
»Ich brauche nicht viel, Jane«, tadelte der Zwerg sanft. »Die Zelle genügt meinen geringen Ansprüchen.«
»Eigentlich wollte ich wissen«, sagte Jason, »ob ich die Prüfung bestanden habe?«
Jane spitzte die Lippen. »Denk mal nach, Heldensohn. Unter anderem wollte man durch die Prüfung auch herausfinden, ob du in der Lage bist, mich zu beschützen. Du hast verloren - und gegen einen Gegner, den du hättest schlagen können. Maherra-len ist nicht leicht zu beeindrucken, und mit deiner Vorstellung ist es dir schon gar nicht gelungen.«
Doch der Zwergenkönig hatte gesagt, daß er im Falle von Jasons Niederlage den Frauen nichts von dem Besuch der Menschen erzählen würde. Er fragte Jane danach.
Neterren antwortete ihm. »Jane stöbert seit zehn Jahren in diesem Gewirr von Gängen und Tunnels herum; sie findet sich darin so gut zurecht wie jeder Zwerg in Endell. Sie kennt auch die Hazvarfen, die Echopfade, besser als sonst jemand.« Der Zwerg tätschelte liebevoll ihre Schulter. »Sie hat gelauscht. Die Slowotskis können sich hier frei bewegen, junger Kaiser. Wir hegen einen tiefen Widerwillen gegen die Vorstellung, jemanden gegen seinen Willen festzuhalten. Doch ich bin immer noch der Meinung, daß du hierbleiben solltest, Jane«, sagte er, zu dem Mädchen gewandt.
»Zum ersten«, begann sie förmlich in der Zwergensprache, wobei sie nur die Gutturallaute ein wenig schleifen ließ, »bin ich nicht auf Jason als Beschützer angewiesen. Dieser große Ochse, der ihn begleitet, sieht aus, als wäre er besser dafür geeignet. Zum zweiten, wenn es denn soweit kommt, daß er mich schützen muß, wird er das mit Gewehr, Dolch, Armbrust oder Schwert tun - ich glaube nicht, daß er im Ernstfall auf die Kunst des Ringkampfs zurückgreifen muß, sosehr diese Kunst auch von dem Genügsamen Volk geschätzt wird. Zum dritten, ungeachtet der Möglichkeit, daß mir etwas zustoßen könnte, glaube ich, daß mir gar nichts anderes übrig bleibt, als mit ihm zu gehen. Ich erwarte deine Argumente.« Sie verstummte.
Der Zwerg nickte. »Mein erstes Argument lautet: Ich bin um dein Wohlergehen besorgt. Mein zweites Argument lautet: Ich bin um dein Wohlergehen besorgt. Mein drittes Argument lautet: Ich bin um dein Wohlergehen besorgt und ...«
»Du versuchst, Zeit zu schinden«, beschwerte sie sich in Erendra. »Du willst uns nicht mit Gewalt hier festhalten, aber du führst die Diskussion endlos weiter.« Sie warf verzweifelt die Arme in die Höhe.
Neterren kicherte. »Nun gut, Kleines. Ich werde später noch einmal nach dir sehen, Jason.«
Der Zwerg ging und schloß die Tür hinter sich.
»Also«, sagte Jason, »wirst du mit Ellegon nach Holtun-Bieme zurückkehren?«
»Das ist der Punkt, über den ich mit dir sprechen wollte.« Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Er sah, daß sie mühsam schluckte. »Mama und Dorann werden nach Holtun-Bieme fliegen. Ich gehe mit dir.«
Jason erinnerte sich an etwas, das Vater einmal über seine ›Kommandostimme‹ gesagt hatte: man brauche einen Befehl nur in der felsenfesten Überzeugung aussprechen, daß er befolgt werden würde, und er würde befolgt.
Sie wird mir gehorchen; sie wird tun, was ich sage. »Das verbiete ich dir«, sagte er und bemühte sich, an seine Autorität zu glauben. »Du wirst auf Ellegons Rücken nach Holtun-Bieme zurückkehren. Wie die anderen.«
Sie schob die Unterlippe vor, und einen Augenblick lang glaubte er, daß sie nachgeben würde.
Doch sie zerstörte seine Hoffnung, indem sie gleich darauf den Kopf schüttelte. »Sieh mal, mir gefällt das ebensowenig wie dir. Weniger sogar - viel lieber würde ich hierbleiben und weiter auf Zielscheiben schießen. Aber ...«
»Du wirst ...«
»Du wirst mir zuhören, Kaiserlein.« Sie schlug mit der flachen Hand heftig auf die Matratze. »Nein - tut mir leid. Das war ganz falsch.« Sie schloß die Augen, ballte die Hände zu Fäusten und verharrte so, bis ihre Hände und ihr ganzer Körper sich entspannten. »Versuchen wir es noch einmal. Wirst du mich anhören, bitte?« Sie schaute ihm in die Augen und legte ihre Hand auf die
Weitere Kostenlose Bücher