Rosenberg, Joel - Hüter der Flamme 05
gedacht.«
»Warum hast du es dann nicht gesagt?« flüsterte Jane gereizt.
»Bringt noch Bier, wenn's gefällig ist«, rief Durine durch den Schankraum.
Die Antwort ließ auf sich warten.
Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Krüge und Teller schepperten auf der gefurchten Holzplatte; Löffel, Messer und Gewürzstreuer vollführten einen klappernden Tanz. »Bier, sagte ich, wenn's gefällig ist«, wiederholte er beinahe flüsternd.
»Mit Vergnügen, Herr, mit Vergnügen«, rief der Wirt zurück und brachte eilfertig zwei Krüge von dem wahrscheinlich schlechtesten Bier, das Durine seit Jahren gekostet hatte. Der bullige Mann ihm gegenüber schien sich durch den rüden Ton herausgefordert zu fühlen, doch nach dem ersten finsteren Blick besann er sich eines besseren und suchte den Anschein zu erwecken, sein Unmut gelte dem kraftlosen Fleischeintopf in seiner Schüssel. »Das Essen ist in ein paar Minuten fertig«, erklärte der Wirt, »aber ich kann es auch sofort bringen lassen, wenn Ihr darauf besteht.«
»Keine Eile«, meinte Durine und nahm einen Schluck Bier. Grauenvolles Zeug. Schmeckte es nicht ungefähr wie vor ein paar Jahren das Gesöff in der Kaserne, aus dem Faß, in dem sie später die tote Maus gefunden hatten? Groß war der Unterschied nicht.
Tennetty schob die Unterlippe vor und deutete mit einer unauffälligen Kopfbewegung auf den zunächstsitzenden der drei hageren Männer am anderen Ende der Bank, auf der sie und Durine saßen. Nach den im Nacken zusammengebundenen Haaren zu urteilen, handelte es sich um Matrosen. Tennettys Ohren waren besser als die von Durine; sie hatte eine Bemerkung aufgeschnappt, die vermuten ließ, daß der Seemann über interessante Informationen verfügte.
Der Speiseraum des Gasthauses war vermutlich vor nicht allzu langer Zeit an das eigentliche Gebäude angefügt worden, denn der langgestreckte Grundriß erinnerte an eine nachträgliche umbaute Veranda, und die Tür zu den hinteren Räumlichkeiten war groß, massiv und verwittert.
Zwei schmuddelige Kinder unbestimmbaren Geschlechts, etwa sieben und fünf Jahre alt, waren am anderen Ende des Zimmers damit zugange, sich abwechselnd an den Haaren zu raufen und die Fußkurbel zu bedienen, die den Bratspieß vor dem offenen Kochfeuer drehte. Ein mit Sommersprossen übersätes, noch junges und recht ansehnliches Mädchen würfelte Karotten und Zwiebeln, legte aber zwischendurch das Messer beiseite und schöpfte eine braune Soße über die Lammkeule auf dem Spieß. Anschließend wartete sie einige Augenblicke, bis die Soße ein wenig eingebrannt war, bevor sie die nächsten Scheiben von dem Braten herunterschnitt und auf einer großen Platte zu wackligen Türmen aufschichtete.
Die Soße war eindeutig mit wilden Zwiebeln gewürzt; Durine konnte es von seinem Platz aus riechen.
Doch eben als die Köchin ihre Portionen auf die Teller verteilt hatte, wischte der Seemann mit einem Stück Brot den Rest Fleischsaft von seinem Teller, stopfte den tropfenden Kanten in den Mund, schob den Teller von sich und stand auf. Nachdem er sich kurz auf die Schulter eines seiner Kameraden gestützt hatte, drehte er sich um und ging zur Tür.
Tennetty rückte dichter an Durine heran. »Er hat etwas über ›den Krieger‹ erzählt und über irgendeine Insel.« Sie stand auf, und er folgte ihr zum Ausgang, ohne sich um die neugierigen Blicke des Wirts zu kümmern, der es allerdings nicht für der Mühe wert hielt, lange darüber nachzugrübeln, weshalb seine Gäste auf die Mahlzeit verzichteten, die im Zimmerpreis enthalten war.
Durine und Tennetty traten hinter dem Matrosen in das helle Tageslicht hinaus.
Er schlug den Weg zum Hafen ein, und sie hefteten sich ihm an die Fersen. In den Straßen drängten sich die Besatzungen der im Hafen liegenden Schiffe; Kaufleute, die Trockenfleisch und Getreidesäcke zu den Docks transportierten oder mit ängstlich zugehaltenen vollen Taschen von dort zurückkehrten, begleitet von einem oder auch zwei Bewaffneten, die nervös die Menschenmenge nach Beutelschneidern und Dieben durchforschten; zerlumpte Kinder jagten einander scheinbar ohne Pause durch die mit Kopfsteinen gepflasterten Gassen; Flachwagen standen vor Geschäften und Warenlagern, und die geduldig wartenden Zugpferde äpfelten im Halbschlaf auf die Straße.
Alle Städte waren einander gleich.
»Du könntest versuchen, ein bißchen weniger verdächtig auszusehen«, meinte Tennetty. »Du bist nicht danach gebaut, Leuten unauffällig zu
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