Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Rosendorfer muss dran glauben (German Edition)

Titel: Rosendorfer muss dran glauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
Vom Netzwerk:
angefangen. Überall stehen Pavillons und Tische mit weißen Tischdecken. Sogar die Bierbänke sind mit weißem Stoff bezogen, und in den Bäumen hängen Lampions, die bestimmt schön leuchten, wenn es dunkel wird. Es sieht aus wie in einer Werbung für französischen Käse. Alles höchst geschmackvoll, das muss ich zugeben, und billig war das ganz sicher nicht. Zwischen den vielen Gästen laufen Kellner herum. Sie tragen Tabletts mit Sekt und Orangensaft. Mir wird auch ein Glas angeboten, und da sage ich natürlich nicht Nein. Ich will ja nicht auffallen.
    Anne und Moritz stehen etwas abseits. Sie beobachten die anderen Gäste, und ich beobachte sie.
    »Wie lange warst du schon nicht mehr hier?«, fragt Anne.
    »Ein halbes Jahr. Vielleicht auch länger«, antwortet Moritz und nippt an seinem Glas.
    »Deine Mutter hat sich gefreut, dich wiederzusehen.«
    »Es liegt ja auch nicht an ihr.«
    Als hätte er auf sein Stichwort gewartet, beginnt Moritz’ Vater in diesem Augenblick mit seiner Rede. Er hält sich sehr aufrecht, sehr steif, als er mit einem Löffel an das Sektglas in seiner Hand schlägt, um seine Gäste zum Schweigen zu bringen.
    »Es ist schön, dass ihr alle so zahlreich gekommen seid. Sogar mein Sohn hat den Weg gefunden, was mich mindestens ebenso überrascht wie erfreut.«
    Alle gucken zu Moritz hinüber, der grinsend mit dem Glas in der Hand in die Runde grüßt.
    »Ich möchte euch allen für euer Kommen danken und auch gar keine lange Rede halten …«
    Das tut er dann aber doch. Eine geschlagene halbe Stunde referiert er sein Leben, und da hätte ich mir die Recherche im Internet auch sparen können.
    Während sein Vater spricht, kommt eine Kellnerin mit einem Tablett an Moritz vorbei. Er nimmt zwei Glas Sekt und gibt eines an Anne weiter.
    »Auf unsere Reise!«
    »Lass mal, ich hab eh schon zu viel.«
    »Noch lange nicht. Das Ganze hier ist nur betrunken zu ertragen«, erwidert Moritz und stößt mit ihr an.
     
    Mal abgesehen davon, dass Moritz an diesem Abend den Bekannten seiner Eltern geschätzte tausendmal erzählen muss, was er die letzten Jahre so getrieben hat (»Nichts Besonderes«) und warum er seine Eltern so selten besucht (»Keine Zeit«), passiert nicht viel. Was will man erwarten, das ist der Geburtstag eines Fünfundsechzigjährigen und keine Abifeier. Moritz versucht sich mit Anne weiterhin abseits zu halten, aber das gelingt ihm nie lange. Immer wieder wird er von irgendeinem Verwandten aufgespürt, den er Jahrzehnte nicht gesehen hat und der ihm unbedingt erzählen muss, wie er sich damals als kleiner Junge auf dem fünfzigsten Geburtstag seines Vaters mit Sprühsahne eingesaut hat. Die Geschichte muss ins kollektive Familiengedächtnis eingegangen sein. Ich höre sie an diesem Abend so oft, dass ich nach dem fünften Mal aufhöre zu zählen.
    Dann passiert aber doch noch etwas Bemerkenswertes. Irgendwann kurz vor Mitternacht sitzt Moritz allein auf einer Bierbank. Anne sorgt an der Bar gerade für Getränkenachschub, als ein Mann mit einer Videokamera auf ihn zukommt und Moritz filmt.
    »Alles klärchen, Moritz?«
    »Nimm das Ding weg, Peter«, brummt Moritz und hält sich die Hand vor die Augen, weil ihn das Licht der Kamera blendet.
    »Du bist doch nicht etwa sauer, dass ich den Laden von deinem Alten übernehme, oder?«, fragt der Filmer, ohne die Kamera abzusetzen.
    »Das ist mir so was von egal.«
    »Dir war ja schon früher immer alles egal.«
    »Nicht alles, und jetzt nimm endlich die blöde Kamera weg.«
    Peter lässt die Kamera sinken und setzt sich neben Moritz auf die Bank.
    »Du machst mittlerweile auch Karriere, habe ich gehört. Ist das dein geiles Geschoss, das da draußen parkt?«
    »Nein, nur geliehen.«
    »Wie viel verdienst du denn so? Würde mich interessieren, nur mal zum Bleistift.«
    »Ausreichend.«
    »Na dann, herzlichen Glühstrumpf!«
    Moritz lächelt gequält, und jeder andere hätte spätestens an dieser Stelle kapiert, dass Moritz an einer Fortsetzung des Gesprächs nicht sonderlich interessiert ist. Dieser Anwalt scheint jedoch völlig schmerzfrei zu sein.
    »Du bist doch so ein Geschichtenheini. Hör zu: Ein Mandant kam neulich mit einer Story zu mir, die glaubst du nicht. Der hat eine fast nigelnagelneue, superteure Kamera zu einem absoluten Schnäppchenpreis gekauft. Da war sogar noch eine fette Speicherkarte mit dabei. Und jetzt kommst du! Da war nämlich noch was drauf, und weißt du auch, was?«
    »Wie der echte Besitzer erstochen und die

Weitere Kostenlose Bücher