Rosendorn
an meiner Kette unter den Kragen meines Shirts. Wieder war der Anhänger heiß, und ich hätte versucht, ihn von meiner Haut zu nehmen, wenn ich nicht gerade Wichtigeres zu tun gehabt hätte – wie mich zum Beispiel aus dem Griff einer Fee zu befreien. Sie vergrub ihre Finger schmerzhaft tief in meinen Arm und zerrte mich hinter sich her zur Tür.
Ethan ging ihr aus dem Weg, aber er hatte immer noch dieses schiefe Grinsen auf den Lippen, als würde er das alles total lustig finden. Er machte einen übertriebenen Diener.
»Dana Stuart«, sagte er formell, »ich würde dir gern meine Schwester Kimber vorstellen. Auch bekannt als die Zicke aus der Hölle.« Er lachte dabei, so dass es einigermaßen liebevoll klang, doch Kimber zeigte ihm mit der freien Hand den Mittelfinger.
Diese Geste passte irgendwie nicht. Ganz untypisch für eine Fee. Wo war die kühle Zurückhaltung, die mangelnde Emotionalität, von denen meine Mutter mir erzählt hatte?
Ich wollte mich stur gegen sie stemmen, aber Kimber war stärker, als sie aussah, und ich hatte gegen sie genauso wenig Chancen wie gegen Lachlan. Ich konnte nur versuchen, auf den Beinen zu bleiben, während sie mich über die Schwelle in die Wachstube zog. Ethan folgte uns.
Ich hatte noch immer keine Stimme, doch trotzdem keuchte ich stumm auf, als ich Lachlan erblickte, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Ein Spritzer frischen Blutes war auf den Steinen neben seinem Kopf zu erkennen. Kimber ignorierte mein Entsetzen und zerrte mich Richtung Ausgang.
»Es geht ihm bald wieder gut«, versicherte Ethan. »Man würde eine Armee brauchen, um ihm ernsthaft weh zu tun.«
Als wollte er Ethans Worte bestätigen, stöhnte Lachlan leise. Ethans Augen weiteten sich, und er schob mich vorwärts, während Kimber noch immer an meinem Arm zog.
»Wir sollten uns besser beeilen«, sagte er. »Ich bezweifle, dass Lachlan begeistert sein wird, wenn er aufwacht.«
Halb schoben, halb zogen sie mich die Treppe hinauf, und kurz darauf fanden wir uns auf der Straße wieder. Meine Stimme funktionierte noch immer nicht, und obwohl ich mich so gut wie möglich wehrte, gab es keine Aussicht auf Entkommen, und die Straße war vollkommen verlassen. Ein Planwagen, der von einem Pferd gezogen wurde, stand an der Bordsteinkante. Kimber schob die Plane des Wagens mit einer Hand zur Seite, und die mit Stroh ausgelegte Ladefläche des Wagens wurde sichtbar. Dann packte sie mich an der Taille, hob mich an, meine verzweifelte Gegenwehr ignorierend, und warf mich ins Stroh.
Sie wollte hinter mir auf den Wagen klettern, aber Ethan legte ihr die Hand auf den Arm und hielt sie zurück.
»Du fährst«, sagte er. »Ich werde unserem Gast Gesellschaft leisten.« Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, und Kimber verdrehte die Augen, widersprach jedoch nicht.
Mein Herz hämmerte wie wahnsinnig, und ich zitterte vor Angst. Ich wollte nicht allein und hilflos mit einem Mann, der stark genug war, um Lachlan auszuschalten, auf der Ladefläche dieses Planwagens sein. Vor allem nicht, nachdem er so bedeutungsvoll mit den Brauen gewackelt hatte. Ich fürchtete, dass ich genau wusste, was er vorhatte, während seine Schwester den Wagen lenkte.
Ethan kletterte auf die Ladefläche und zog die Plane wieder vor den Einstieg. Es war stockdunkel. O Gott, jetzt war ich
im Dunkeln
mit ihm allein. Ich krabbelte in die hinterste Ecke – so weit weg von ihm wie möglich –, bis mein Rücken gegen etwas Hartes stieß. Dann wühlte ich mit beiden Händen im Stroh herum und hoffte, etwas zu finden, das ich als Waffe benutzen konnte.
»Du musst keine Angst haben«, sagte Ethan, und zu meiner grenzenlosen Erleichterung kam seine Stimme vom Einstieg am anderen Ende des Wagens. »Kimber und ich sind relativ harmlos.«
»Erzähl das mal Lachlan«, hörte ich mich sagen und war überrascht, wie ruhig ich klang. In dem Moment wurde mir klar, dass meine Stimme wieder da war. Und bevor Ethan mich wieder stumm zaubern konnte, schrie ich so laut und lange wie nur irgendwie möglich.
Irgendwann musste ich aufhören, sonst wäre ich ohnmächtig geworden.
»Was für ein beeindruckendes Organ«, sagte Ethan und schien sich über meinen Versuch, Hilfe zu holen, kein bisschen zu ärgern. »Meine Ohren werden sich davon wohl nie erholen.« Ich konnte das Lachen in seiner Stimme hören, und meine Angst nahm etwas ab. Das klang eher nach spielerischem Aufziehen als nach den bedrohlichen Worten eines Kidnappers. Zwar war ich
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