Rosenfolter
Handabschneider
wollte uns bloß suggerieren, das Opfer wäre polizeibekannt«, gluckste Kohlschwab.
»Mag sein.« Hardo
trank sein Bier aus.
»Steht die Soko?«
»Wir haben gute
Leute dabei. Zwei Kollegen, für die diese Geschichte mit dem Ohr angefangen hat.
Der Praktikant ist ein Segen. Es wird viel Laufarbeit geben. Kerschensteiner macht
sich außerdem.«
»Ja, ich weiß,
die junge Kollegin, von der Sie viel halten. Ich hoffe, die Zusammenarbeit mit den
Herren in der Soko ›Rose‹ führt nicht zu unnötigen Konflikten. Wir hatten erst eine
Menge internen Ärger wegen Mobbing. Frauen fühlen sich schnell ins Abseits gedrängt.
Möchten Sie noch ein Bier?«
»Gern.« Warum nicht. Es war Frühling, Sonntagabend, es saß sich angenehm
in Kohlschwabs Garten im Hainviertel. Es war ruhig, der Verkehr schien weit weg,
nur ab und zu klang Hundegebell zu ihnen herüber. Hardo hatte nicht die Absicht,
Kohlschwabs Ansichten über Mobbing zu kommentieren. Längst war ihm klar, dass Frauen
bei der Polizei überhaupt nicht in der Situation waren, saubere Arbeit zu leisten
und zugleich ihre eigene Position zu verbessern oder gar für Frauenrechte zu kämpfen.
Sie mussten zusehen, dass sie überhaupt Mund und Nase über Wasser behielten. Seine
Strategie bestand darin, Sabine Kerschensteiner alle Unterstützung zukommen zu lassen,
die sie brauchte, um nach oben zu kommen. Möglichst ohne dass ›Frauenticket‹ auf
ihrer Stirn stand. Er förderte sie, weil er sie für begabt und fleißig hielt. Sie
besaß einen scharfen Verstand und genau die richtige Menge Einfühlungsvermögen.
Kohlschwab stemmte
sich hoch und kam mit zwei Flaschen zurück.
»Beschäftigen Sie
einen Gärtner?«, erkundigte sich Hardo.
»Sicher. Geht nicht
anders.« Kohlschwab klopfte sich auf die Wampe. »Aber wenn ich in Pension bin, lege
ich selbst Hand an.«
Gute Vorsätze,
fand Hardo amüsiert, versanden meist recht flott.
»Sie sehen doch
ein, dass wir vor Eröffnung dieser Baumschule draußen auf der ERBA-Insel den Fall
lösen müssen? Ich meine, niemand in der Stadt wird sich allen Ernstes direkt bedroht
fühlen, aber es ist unschön. Das mit dem Ohr und dem Finger und der Hand. Und dann
erst der tote Walters.«
»Sagen Sie mir
etwas zu Walters!«, bat Hardo. Er goss sich das Weizen ein. Währenddessen beobachtete
er Kohlschwab aus den Augenwinkeln.
»Walters soll letztes Jahr an der Insolvenzverschleppung von Glas&Glas
beteiligt gewesen sein. Als Berater. Inoffiziell. Die Sache ist ziemlich hochgekocht.
Knapp 1.000 Arbeitsplätze weggespült, dann fährt der Eigentümer mit dem Maibach
zum Termin mit dem Insolvenzverwalter. Der hat sich vielleicht umgeschaut, als er
mit dem Taxi heimfahren musste.«
»Ist er nach Hause
gefahren? Oder gleich …«
»… in die Zelle?« Kohlschwab lachte, dass sein Bauch schwabbelte. »Sei’s drum.
Jedenfalls hat Anwalt Max Walters seine Pfoten in solchen Geschichten drin. Vergessen
Sie nicht: Wir haben gerade eine Bürgermeisterwahl hinter uns.«
Hardo schwieg. Er verabscheute Politik. Es genügte ihm völlig, in der Zeitung
von wundenleckenden Idioten zu lesen. Apropos Zeitung: Die kriegte mit den Spekulationen
zu Ohr, Finger und Hand wenigstens ihre Seiten voll.
»Das waren Beratungen?«, fragte er, »keine offizielle Mandantschaft?«
»Es gibt Menschen,
die legen gesteigerten Wert darauf, dass ihre Namen nicht im Computersystem eines
Fachanwalts für Baurecht auftauchen.«
»Die Beratungen
in Sachen Insolvenz betrafen also die Immobilien, die …«
»Immobilien, die
mit getürkten Rechnungen und ebenso getürkten Gutachten in eine andere Preisklasse
verfrachtet wurden. Aber so geschickt, dass man Walters nichts nachweisen kann.
Ich überlege, ob ich einmal einen Spezialisten ranlasse.«
»Einen, der Ihnen
was schuldet?«
Kohlschwab verzog
die Mundwinkel. »Machen Sie sich nicht lustig über mich. Auch ein Staatsanwalt muss
mit dem Leben zurechtkommen. Und mit dem Job. Außerdem fällt Betrug nicht in Ihr
Ressort.«
»Sicher.«
Kohlschwab nahm
den schmuddeligen Zettel in die Hand.
»Ich habe eine
Leidenschaft, Hauptkommissar. Ich sammle Namen. In Kladden. Ich habe mittlerweile
32 Hefte beisammen, und die Seiten füllen sich täglich weiter.«
»Namen.« Hardo
sagte es in einem Ton, als stellte er fest, dass eine Schnecke in sein Weizen gefallen
war.
»Sie brauchen darüber
nicht viel zu wissen. Ich nenne Ihnen jetzt ein paar. Und Sie recherchieren.«
»Ich höre.«
»Sie brauchen
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