Rosenfolter
einer von ihnen ein brutaler Mord geschehen, an einer
von Katinkas Klientinnen, und sie hatte ihn nicht verhindern können. Gänsehaut kroch
über Katinkas Rücken. Eine Katze flitzte über die Straße. Der Hain auf der anderen
Straßenseite stand finster und still da. Abwartend, irgendwie. ›Etwas Dunkles liegt
über der Stadt.‹
Blödsinn. Alles
Einbildung. Emma Theiss sah Gespenster.
Das Leben funktionierte
im Grunde wie ein Horrorfilm. Man musste den Grusel geschickt steuern, ein bisschen
Konditionierung mit schauriger Musik und fiesen Andeutungen, schon explodierte der
Blutdruck der Zuschauer. Katinka klingelte bei Linda.
»Hallo?«, ertönte
eine dünne Stimme hinter der geschlossenen Tür.
»Frau Roose, ich
bin es, Katinka Palfy. Ich wollte nur kurz sehen, ob bei Ihnen alles in Ordnung
ist.«
Linda schloss umständlich
die Tür auf. »Das ist aber sehr freundlich von Ihnen.«
Nein, eigennützig,
dachte Katinka, während sie eintrat. Ich will endlich rauskriegen, was mit deinem
Handy passiert ist.
»Wie geht es Ihrer
Hand?«
»Ich komme zurecht.
Emma kommt jeden Tag vorbei. Sie hilft mir mit dem Haarewaschen und anderen Kleinigkeiten.«
Sie ließen sich
in Lindas Wohnzimmer nieder.
»Was ich fragen
wollte«, kam Katinka zum Kern ihres Anliegens. »Diese Villa, die mit den Doggen.
Die gehört einem Manfred Korin, oder?«
»Woher wissen Sie
das?«
»Ist das ein solches
Geheimnis?«
»Der Mann ist ein wenig lichtscheu. Man sieht ihn eigentlich nie. Er fährt
mit dem Wagen auf sein Grundstück. Das Tor schließt hinter ihm. Man sieht ihn nicht
aussteigen. Er will keinen Kontakt mit den Nachbarn. Wissen Sie, ich meide die Sodenstraße
inzwischen sogar. Das mit den Doggen ist mir zu unheimlich.«
Linda Roose knabberte
an ihrer Unterlippe. Katinka wartete geduldig.
»Emma und ich sind im Winter gern die Straßen entlangspaziert. Eigentlich
gehen wir lieber in den Hain, aber es lag Schnee, es war glatt, und wenn wir ein
wenig Bewegung an frischer Luft brauchten, gingen wir einfach durchs Viertel. Ja,
und auf einmal standen diese Viecher vor uns. Der Kopf von dem einen ging mir bis
an die Brust. Ich habe geschrien vor Schreck. Irgendwie sind die Biester vom Grundstück
getürmt. Ich riss den Arm hoch, mit dem Telefon in der Hand, und schrie: ›Ich rufe
die Polizei.‹ Aber mein Arm hat so gezittert, dass ich nicht mal die Tasten drücken
konnte.«
»Was haben Sie
dann gemacht?«
»Wir standen stocksteif da. Wirklich, wir waren auf dem Gehsteig vor dem
Grundstück. Ein Stück weg vom Zaun, aber die Biester sabberten und bellten und verteidigten
ihr Revier. Beinahe hätte ich einen Infarkt bekommen vor Angst. Und dann kam der
Gärtner von Korin angerannt. Auf den hörten sie. Der schnappte die beiden am Halsband
und zerrte sie zurück hinter den Zaun. Ich kann Ihnen sagen …«
»Unangenehmes Erlebnis«,
sagte Katinka.
»Es war gespenstisch. Nachher habe ich dem Gärtner einen Käsekuchen gebacken.
Herr Kriwanek hat ihn sich bei mir abgeholt. Ich meide die Straße jetzt.«
»Haben Sie mit Herrn Kriwanek denn häufiger zu tun?«
»Nie. Bis auf dieses
eine Mal. Ich sah ihn, als er im Garten irgendwas machte. Rief über den Zaun, dass
ich mich bedanken wollte. Sagte, wo ich wohne, und dass ein Käsekuchen auf ihn wartet.
Er hat sich gefreut.«
17.4.2012 – Dienstag
19
Am nächsten Morgen stand Katinka
spät auf. Die Sonne schien, es war ungewöhnlich warm, beinahe sommerlich. Der April
und seine legendäre Wechselhaftigkeit! Sie kaufte zwei Stück Käsekuchen beim Kapuzinerbeck,
schloss die Tür zu ihrer Detektei auf und suchte im Telefonbuch nach dem Namen Kriwanek.
Es gab nur einen. Günther Kriwanek. Er wohnte in der Fischerei. Quasi um die Ecke.
Katinka schnappte
sich den Käsekuchen. Drei Minuten später klingelte sie. Jemand beobachtete sie durch
den Türspion.
»Herr Kriwanek?
Frau Roose schickt Ihnen Käsekuchen. Diesmal leider nicht selbstgebacken. Sie hat
sich das Handgelenk gebrochen.«
»Wer sind Sie?«
»Kapuzinerbeck«,
log Katinka.
Die Tür öffnete
sich einen Spaltbreit. Ein kleiner, drahtiger Mann mit blassem Gesicht lugte heraus.
Trotz der Wärme trug er eine Wollmütze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte.
»Wie kommt Frau
Roose …?« Ein riesiges Fragezeichen stand in seinem Gesicht.
»Bei Frau Roose
ist eingebrochen worden.« Katinka schob sich ins Haus. Doch sie hatte nicht mit
Kriwaneks Verteidigungswillen gerechnet. In Blitzgeschwindigkeit drückte er
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