Rosengift - Die Arena-Thriller
Stunde hinaus. Auf dem Flur begegnete ihr Lauren. Diese trug ein tief ausgeschnittenes, weißes Sommerkleid und dazu viele bunte Ketten und hohe Schuhe, die auf dem Gang laut klackerten. Als ginge sie zu einer Party, dachte Matilda verächtlich. Sie grüßten sich mit einem kurzen Nicken.
»Er schläft«, sagte Matilda und ging weiter.
58
Annas Eltern fuhren Matilda, Anna und Helen bis zum Opernplatz. Es waren noch eineinhalb Stunden Zeit bis zum Beginn des Jugendcontests, aber die Mädchen sollten sich in Ruhe mit der Atmosphäre vertraut machen. Das hatte ihnen Professor Stirner angeraten, der natürlich im Publikum sitzen würde. Helen und Annas Eltern wollten noch einen Kaffee trinken gehen und dann kurz vor Beginn des Konzerts ihre Plätze in der ersten Reihe einnehmen. Auch Matildas Großeltern hatten sich angekündigt.
»Du machst das schon, du wirst es allen zeigen«, flüsterte Helen ihrer Nichte ins Ohr, ehe sie sie umarmte und ihr nachsah, wie sie neben Anna über den Platz auf das imposante Gebäude zuging.
Eine Dame von der Musikhochschule, die den Wettbewerb betreute, brachte die Mädchen zu den Künstlergarderoben. Dort standen Erfrischungsgetränke und Weingummi bereit. Von den zwölf zugelassenen Teilnehmern war außer ihnen bis jetzt ein zwölfjähriger, asiatisch aussehender Junge anwesend und ein Mädchen, das etwa in ihrem Alter zu sein schien. Matilda und Anna inspizierten die Bühne und stimmten ihre Instrumente. Danach war immer noch eine Stunde Zeit.
»Ich geh mal kurz raus an die Luft«, sagte Matilda und nahm ihre kleine Handtasche vom Haken. Der wahre Grund, weshalb sie vor die Tür ging, war, dass sie noch einmal mit Christopher telefonieren wollte. Seine Genesung war in den letzten Tagen langsam, aber stetig vorangeschritten. Inzwischen telefonierte er auch schon wieder und schaffte es, längere Zeit wach zu bleiben. Morgen sollte er noch einmal am Knie operiert werden, zum letzten Mal, so wie es aussah. Während der letzten acht Tage war Matilda täglich bei ihm im Krankenhaus gewesen.
Als sie ihr Handy einschaltete, sah sie, dass jemand auf ihre Mailbox gesprochen hatte. Vielleicht hatte ihr Christopher noch viel Glück wünschen wollen. Die Nachricht war um 17.45 Uhr eingegangen, da hatte sie gerade ehrfürchtig auf der Bühne der Oper gestanden. Sie hörte die Stimme einer Frau. Sie klang dumpf und gehetzt, als sie sagte: »Hallo! Hier spricht Schwester Inge von der Intensivstation. Ich rufe an wegen dem Patienten Wirtz. Er möchte, dass Sie kommen, es geht ihm sehr schlecht. Wenn Sie ihn noch einmal sehen wollen, sollten Sie sich beeilen.« Es piepte.
Matilda starrte fassungslos auf das Handy. Ihr Herz begann zu rasen, plötzlich war ihr so schlecht, dass sie das Gefühl hatte, sich auf der Stelle übergeben zu müssen. Was war das? Ein schlechter Scherz? Sie hatte doch erst heute Morgen mit ihm telefoniert, da hatte er ganz munter geklungen. Was war in der Zwischenzeit passiert? Mit wild klopfendem Herzen rief sie Christophers Handynummer an, aber er ging nicht an den Apparat.
Was jetzt? Matilda schaute auf die Uhr. Es war fünf nach sechs. Noch eine knappe Stunde bis zum Konzert. Sie war die Fünfte, die auftreten würde… Ohne noch länger zu zögern, rannte sie über den Platz. Vor der Oper war ein Taxistand, Matilda stieg in den Wagen, der ganz vorne in der Reihe stand. Der Fahrer legte seine Zeitung weg und drehte sich um. »Na, wo soll’s denn hingehen, junge Frau?«
»Zum Nordstadtkrankenhaus bitte. Und könnten Sie so schnell fahren wie möglich?« Der Fahrer ließ den Motor an, nur Sekunden später setzte sich der Wagen in Bewegung. Dass Anna vor dem Haupteingang der Oper stand und ihr nachschaute, bemerkte Matilda ebenso wenig wie die Tatsache, dass es noch eine zweite Person gab, die ihre Abfahrt aufmerksam beobachtete.
59
Petra Gerres nutzte den dienstfreien Samstag, um einen Stadtbummel zu machen, sich eine neue Hose zu kaufen und danach ihre Dreizimmerwohnung auf Vordermann zu bringen. Es machte ihr nicht wirklich Spaß, die fettigen Oberseiten der Küchenschränke mit Scheuermittel abzuschrubben, aber es war eine Arbeit, bei der man wunderbar nachdenken konnte.
Die vergangene Woche war unbefriedigend verlaufen. Was den Mordanschlag auf Christopher Wirtz anging, waren sie keinen Schritt weitergekommen. Sie wussten inzwischen, dass Christopher selbst zwar kaum Drogen konsumierte, stattdessen aber damit handelte. Die Auswertung der Verbindungsdaten seines
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