Rosengift - Die Arena-Thriller
ausgefallen als geplant; an den Nebentischen drehten sich ein paar Leute zu ihnen um. Eine kleine Falte erschien zwischen ihren Augen. Unmöglich, dieser Typ! Gerade war alles okay, sie hatte sich gut unterhalten und sogar wohlgefühlt, schon musste er die Stimmung kaputt machen mit so einem dummen Spruch! Was hatte Patrick eigentlich für ein Problem?
»So meinte ich das auch gar nicht«, korrigierte sich Patrick rasch. »Ich wollte doch nur sagen, ich würde mich weder mit einer hässlichen Frau noch mit einer gut aussehenden, die strohdoof ist, in der Öffentlichkeit sehen lassen.«
»Ah so«, sagte Matilda gedehnt. Sie glaubte ihm zwar kein Wort, musste ihm aber immerhin zugestehen, dass er die Kurve noch recht elegant gekriegt hatte. »Ich nehme das mal als Kompliment. Und das andere hab ich gar nicht gehört.«
»Das war auch ein Kompliment«, sagte er. »Du bist schon etwas Besonderes.«
»Findest du?«, entgegnete Matilda und war gegen ihren Willen geschmeichelt. Vorsicht, Matilda, lass dich nicht einwickeln, befahl sie sich im Stillen.
Doch zum Glück kam in diesem Moment die Kellnerin an den Tisch und lenkte Patrick ab. Sie bestellten zwei große Cola. Danach redeten sie über unverfänglichere Themen: die Schule, Matildas Geigen-Wettbewerb, den möglichen Aufstieg von Patricks Fußballmannschaft in die Bezirksliga. Patrick benahm sich wieder ganz normal, war witzig und unterhaltsam und Matilda amüsierte sich ziemlich gut. Auch lästern konnte man mit ihm, wenn natürlich auch nicht so gut wie mit Nicole und Anna. Die Zeit war rasch verflogen, es ging auf Mitternacht zu. Matilda gähnte verstohlen.
»Lass uns nach Hause gehen, schließlich ist morgen ja Schule«, sagte Patrick und hörte sich dabei ein wenig an wie früher Matildas Vater. Ihre Eltern hatten ihr stets vorgeschrieben, wohin sie gehen durfte, und vor allen Dingen, wohin nicht, und wann sie zu Hause sein musste. Helen dagegen machte Matilda niemals Vorschriften. »Du bist nicht dumm, du weißt, dass du in der Schule ausgeschlafen sein musst, und am Wochenende verlasse ich mich auf deinen gesunden Menschenverstand, der dir sagen wird, was du tun und was du lassen musst«, hatte sie ihr am Anfang gesagt. Matilda hatte diese Freiheit noch nie über die Maßen ausgenutzt. Ähnlich hielt es Helen mit ihrem Sohn. Allerdings war Miguel schon zweimal mit der Polizei in Konflikt geraten: Bei einer Razzia in einer Disco war er mit zwei Gramm Marihuana in der Tasche erwischt worden, als er sechzehn gewesen war, und einmal, mit siebzehn, war er am Bahnhof auf einer Bank eingeschlafen, natürlich betrunken. Die Polizei hatte ihn aufgegriffen und Helen am nächsten Tag aufgefordert, ihren Sohn in der Ausnüchterungszelle abzuholen.
»Zusammen?«, fragte die Bedienung, der Patrick ein Zeichen gegeben hatte.
»Ja«, erwiderte Patrick ohne Zögern.
»Nein!«, protestierte Matilda. Sie hatte auch vorhin darauf bestanden, ihre Pizza und die Kinokarte selbst zu bezahlen. Doch Patrick war schneller, er hatte bereits beide Getränke bezahlt, ehe Matilda ihre kleine Handtasche geöffnet und die Geldbörse herausgefischt hatte.
»Du bist dann das nächste Mal dran.«
Matilda nickte widerstrebend. Und wenn es das gar nicht geben wird, dieses nächste Mal? Schweigsam verließen sie die Bar und fuhren mit der Bahn nach Hause.
»Du kannst ruhig schon an deiner Station aussteigen, mich frisst schon keiner auf den paar Metern bis zu mir nach Hause!«, sagte Matilda.
Aber das ließ Patrick nicht zu. Er schien ihren Protest gar nicht zu hören: »Ich gehe oft allein von der Haltestelle nach Hause – auch nachts.« – »Stell dir vor, bei uns gibt es Straßenlaternen!« – »Ich wohne in einer guten Gegend, da werden noch nicht mal Fahrräder geklaut!«
»Im letzten Monat gab es in eurer Gegend drei Einbrüche, das stand in der Zeitung«, hielt Patrick dagegen.
»Mich klaut schon keiner.«
»Wer weiß?«
Nichts überzeugte ihn, er blieb stur sitzen bis zu ihrer Haltestelle, stieg mit ihr aus und begleitete sie durch die stillen Straßen mit den gepflegten Vorgärten nach Hause. Er schien nicht einmal zu merken, wie sehr er ihr mit seiner Fürsorge und Höflichkeit auf die Nerven ging. Vielleicht, überlegte sie, ist er so erzogen worden, dass man Mädchen in jedem Fall nach Hause begleiten muss. Hatten nicht Anna und Nicole neulich erzählt, sein Vater wäre ziemlich streng und altmodisch? Unwillkürlich musste Matilda an ihre Großmutter denken. Eleonore
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