Rosenherz-berbKopie
was
mir die Ehre verschafft.»
Ohne
auf eine Antwort zu warten, ging der Mann auf das kleinere der beiden
Fachwerkgebäude zu, schloss die Tür auf und machte sich sofort
daran, von innen sämtliche Fensterläden zu öffnen.
Marthaler
betrat das Haus und sah, dass es aus einem einzigen, riesigen
Raum bestand, dessen Wände weiß getüncht und mit Bildern behängt
waren. In der Mitte befand sich ein riesiger Schreib- und
Zeichentisch aus einer langen, aufgebockten Holzplatte. Am
gegenüberliegenden Ende des Raums gab es zwei Sessel und eine Couch
mit einem kleinen Rauchtisch davor. Nicht weit davon waren drei
Staffeleien um einen Arbeitstisch gruppiert, der über und über mit
Farben, Pinseln und anderen Malutensilien bedeckt war. Haberstock
machte eine Handbewegung, bat Marthaler Platz zu nehmen, bevor er
sich selbst entschuldigte, den Raum verließ und kurz darauf mit
einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern zurückkam.
«Also»,
sagte er, «ich fahre manchmal zu schnell, ich rauche ab und zu
einen Joint, Steuern zahle ich nur so viel wie unbedingt nötig, und
die Musik ist nicht immer auf Zimmerlautstärke. Ist es das, was
Sie mir vorwerfen?»
Marthaler
verneinte. «Ich komme, um mit Ihnen über Karin Rosenherz zu
sprechen.»
Haberstock
hob sein Glas und schaute lange hinein. «Das ist kein schönes
Thema», sagte er. «Und ich hätte nicht gedacht, dass nochmal
jemand an diese Sache rühren würde.»
«Erzählen
Sie mir etwas über die Frau!»
«Da
gibt es nicht viel zu berichten. Ich bin ein paarmal mit ihr essen
gegangen. Was sie von mir wollte, weiß ich eigentlich nicht.
Ich durfte ihren Mercedes fahren, sie hat bezahlt, wir haben
geplaudert. Das ist alles.»
«Das
haben Sie damals bereits der Polizei erzählt. Haben Sie mit ihr
geschlafen?»
«Nein.
Ich dachte zunächst, dass sie das will. Und ich wäre nicht
abgeneigt gewesen. Aber sie hat mir nie ein Signal in diese Richtung
gegeben. Sie hat mir gefallen, ich fand sie interessant. Und ein
wenig hat sie mich auch eingeschüchtert. Sie war eine extravagante,
kapriziöse Frau. Ich war zwanzig und fühlte mich noch wie ein
Junge. Sie war eine erwachsene, weltgewandte Dame. Jedenfalls
auf den ersten Blick. Ich mochte sie wirklich gerne.»
«Das
kann man nicht von allen sagen, die mit ihr zu tun hatten»,
erwiderte Marthaler.
Haberstock
machte eine wegwerfende Handbewegung: «Ich habe gelesen, was die
Zeitungen über sie geschrieben haben. Aber Karin war hinter ihrer
mondänen Fassade ein ziemlich unsicherer Mensch. Sie hatte Angst.
Sie wirkte auf mich wie jemand, den man schützen muss. Aber dafür
hatte ich damals wirklich nicht das Format.»
«Kann
es sein», fragte Marthaler, «dass Karin Rosenherz ihre Unsicherheit
nur gespielt hat?»
Lächelnd
schüttelte Haberstock den Kopf. «Nein», sagte er. «An so etwas
glaube ich nicht. Jeder ist auch das, was er spielt. Karin war
beides: Sie war ordinär und sensibel. Sie war herrisch und
ängstlich. So etwas gibt es.»
«Ja»,
sagte Marthaler, «da haben Sie wohl recht. Ich weiß, dass Sie Fotos
von ihr gemacht haben ...»
Haberstock
lächelte. «Ja. Ein paar Wochen vor ihrem Tod hat sie mich gebeten,
sie zu fotografieren. Wollen Sie die Bilder sehen?»
«Darum
wollte ich Sie bitten!»
Marthaler
schaute dem Mann nach, der mit federndem Gang aus dem Raum eilte.
Dann stand er auf und stellte sich vor das größte der Bilder, die
hier an den Wänden hingen. Es war eine gerahmte Zeichnung, deren
Untergrund aus braunem Packpapier bestand. Zu sehen war nichts
als ein unregelmäßiges, auf die Seite gekipptes rotes Kreuz
und ein paar weiße Flecken und Linien. Je länger er es anschaute,
desto besser gefiel ihm das Bild.
«Interessieren
Sie sich für Kunst?», fragte Haberstock, der jetzt hinter ihm stand
und ein großes Fotoalbum in der Hand hielt.
Marthaler
machte eine hilflose Bewegung. «Das Bild ist schön, aber ich weiß
nicht, warum. Es interessiert mich, aber ich verstehe nichts davon.
Mir fehlen die richtigen Worte.»
Haberstock
lächelte. «Das geht den Künstlern genauso. Wenn sie Worte dafür
hätten, müssten sie nicht malen.»
Ja,
dachte Marthaler, diesen Satz hätte Tereza genauso sagen können.
«Zeigen
Sie mir die Fotos!», sagte er.
Haberstock
ging zu dem langen Schreibtisch, schaltete die Leselampe an und
öffnete das Album.
«Sie
wollte, dass ich zu ihr in die Wohnung komme. Sie wollte, dass wir
die Aufnahmen in ihrer vertrauten Umgebung machen. Und sie
bestand darauf, dass es
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