Rosenherz-berbKopie
haben. In den Zeitungen war nie etwas über
die Todesursache zu lesen. Erst als in den siebziger Jahren wieder in
dem Fall ermittelt wurde, ist öffentlich bekannt geworden, dass man
sechzehn Stichwunden an Karins Leiche nachgewiesen hat. Ich habe
Ortmann zur Rede gestellt, und schließlich hat er mir die Wahrheit
gesagt.»
«Dass
sie noch gelebt hat, als er das zweite Mal in die Wohnung kam?»
«Ja.»
«Darüber
musste er doch froh sein», sagte Marthaler. «Damit wäre das Ganze
ja noch glimpflich ausgegangen.»
«So
würden Sie denken»,
sagte Lichtenberg. «Und so hätte auch ich gedacht.»
«Aber?»
«Ortmann
ist ein vollkommen empathieloser Mensch. bringen>, hat er gesagt.»
Marthaler
runzelte die Stirn. «So hat er es genannt? Zu Ende bringen?»
Lichtenberg
schluckte. Er wandte sich ab. Marthaler meinte, in seinem
Augenwinkel eine Träne zu sehen.
«Er
sagt, als er zurück in die Wohnung kam, sei er an den Küchenschrank
gegangen, um sich die dreihundert Mark aus der Kassette zu holen.
Plötzlich habe er hinter sich ein Geräusch gehört. Karin sei
auf ihn losgegangen wie eine Furie. Sie hat ihm mit den Fingernägeln
quer durchs Gesicht gekratzt. Er hat sie zurück ins
Schlafzimmer gedrängt. Er hat sein Pfeifenbesteck aus der Tasche
gezogen und immer wieder auf sie eingestochen. Er sagt, dass sie sich
lange gewehrt hat. Aber irgendwann war sie dann wirklich tot. Ortmann
hat das Zimmer verwüstet, hat ein paar Schmuckstücke
zusammengerafft und die beiden Klees von der Wand genommen.»
«Aber
das alles hat er Ihnen erst zehn Jahre später erzählt?»
«Ja.
1976 ging der Fall wieder durch die Presse, weil ein neuer
Staatsanwalt die Ermittlungen nochmal in Schwung bringen wollte. Erst
dann wurden Einzelheiten über die Todesursache bekannt.»
«Und
Sie hatten beide Angst, dass Sie nun doch noch zur Rechenschaft
gezogen würden. Dass man diesmal der Aussage Albinellis mehr
Beachtung schenken würde.»
Lichtenberg
nickte müde. Er wirkte erschöpft.
«Und
wie haben Sie es geschafft, dass diese Aussage dann aus den Akten
verschwand?»
Der
Mann schaute Marthaler verwundert an. Dann schüttelte er den
Kopf. «Davon weiß ich nichts. Ich habe Ortmann gesagt, er soll die
Sache ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Um die Einzelheiten
habe ich mich nie gekümmert. Aber wie es aussieht, wäre ihm das
fast gelungen.»
«Und
der Kunstraub im Stadtwald? Der tote Wachmann? Das gestohlene Paradiesgärtlein?»
Lichtenbergs
Augen leuchteten kurz auf: «Ein wunderschönes Bild. Ich habe
es viel zu lange nicht mehr gesehen. Ich habe es immer sehr gemocht.»
«Wollen
Sie mir erzählen, dass Sie auch damit nichts zu tun haben?»
Ärgerlich
schüttelte Lichtenberg den Kopf. «Wissen Sie, mir ist egal, was Sie
glauben. Ich sage die Wahrheit, also werden Sie mir nichts anderes
nachweisen können. Es sei denn, Sie finden Ortmann, und er
entschließt sich, mich zu belasten. Aber beides halte ich, offen
gestanden, für ziemlich unwahrscheinlich.»
Er
hat Angst, hatte Anna gedacht, als sie Ortmann aus dem Garten ins
Haus gefolgt war. Er hat so viel Angst, dass er stinkt.
«Bitte!»,
hatte er gesagt und auf eine Tür direkt neben dem Hauseingang
gezeigt.
Bevor
sie in der Toilette verschwand, drehte Anna sich noch einmal um.
Ortmann stand in der Mitte der Eingangshalle und schaute ihr
nach.
Anna
schloss die Tür und legte ihr Ohr von innen an das Futter. Zehn
Sekunden lang geschah gar nichts. Dann hörte sie Ortmanns Schritte.
Sie näherten sich. Er ging nicht ins Haus. Er war nicht auf dem Weg
ins Büro.
Anna
hörte, wie die Haustür geöffnet wurde und kurz darauf ins
Schloss fiel. Sie drehte den Wasserhahn auf und wartete einen
Moment. Dann verließ sie die Toilette.
Als
sie vor dem Haus stand, wurde hinter der Hecke ein Motor angelassen.
Kurz darauf verließ der Cayenne das Grundstück. Ortmann saß am
Steuer. Er drehte seinen Kopf und schaute zum Haus. Sie sahen sich
direkt in die Augen.
Der
Cayenne beschleunigte und fuhr mit hoher Geschwindigkeit die
asphaltierte Zufahrt hinunter.
Im
selben Moment spurtete Anna los. Sie rannte über die Parkplätze,
zog den Autoschlüssel aus der Tasche ihrer Jeans und sprang in den
Mazda.
Sie
startete den Motor und trat das Gaspedal durch. Sie riss das Lenkrad
nach rechts. Das Heck des Roadster geriet kurz ins Schlingern, dann
hatte sie den Wagen wieder im Griff.
Aber
der Cayenne war bereits aus ihrem Blickfeld verschwunden.
Anna
raste über
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