Rosenherz-berbKopie
würde, wüsste sofort, dass es gestohlen
ist. Inzwischen gibt es mehrere Datenbanken im Internet, die
ständig über gestohlene Kunstwerke berichten. Kein Galerist,
kein ernsthafter Sammler würde einen gestohlenen Picasso, van Gogh
oder Monet kaufen. Es gibt praktisch keinen grauen Markt für
bedeutende Diebeskunst.»
Marthaler
überlegte. «Dann hat der Dieb wahrscheinlich einen Auftrag. Und
ist damit nicht angewiesen auf den grauen Markt. Er muss nicht
mit seiner Beute hausieren gehen, sondern handelt im Auftrag eines
verschwiegenen, reichen Liebhabers, der genau dieses Bild haben will
und der es sich dann in sein Schlafzimmer hängt.»
«Genau
so stellen es sich die Filmleute vor. Aber das ist Kino, Robert! Es
gibt ihn nicht, diesen Milliardär. Es gibt in der Geschichte der
Kunstdiebstähle höchstens ein, zwei Fälle, bei denen man einen
solchen Auftrag hat nachweisen können. Dennoch ist der Raub und
Handel mit gestohlener Kunst ein florierendes Geschäft. Inzwischen
geht man davon aus, dass es nach dem Menschenhandel und den
illegalen Drogengeschäften der drittgrößte Zweig des
internationalen Verbrechens ist.»
«Kann
es sein, dass du mir etwas vorgespielt hast?», fragte Marthaler.
«Was
meinst du?»
«Du
scheinst dich besser auszukennen auf diesem Gebiet, als du zugeben
willst. Langsam frage ich mich, ob die Bilder hier an den Wänden
...»
«Ja,
witzig. Aber konzentrier dich, bitte! Also, wenn es weder einen
grauen Markt gibt noch den kunsthungrigen Ölscheich, dem es
genügt, seine Beute als stiller Genießer zu bewundern, was sonst
könnte immer wieder Kriminelle veranlassen, Gemälde, Statuen,
Teppiche oder sonstige Antiquitäten zu stehlen?»
«Woher
soll ich das wissen? Vielleicht sind die Kunstdiebe einfach blöd.
Vielleicht lassen sie sich blenden von den Summen, die oft
genannt werden, wenn es um den Wert eines Kunstwerks geht. Sie
hören, dass bei einer Auktion in Paris oder London ein
Seerosen-Bild von Monet zehn Millionen Euro erzielt, und denken
sich: Prima, dann fahre ich bei dem neuen Besitzer vor, hole das
Bild raus, werfe es auf den Rücksitz und bin um zehn Millionen
reicher.»
Sabato
lachte. «Vollkommen richtig. Bei einem großen Teil der Kunstdiebe
handelt es sich um naive Idioten, unbedarfte, aber im Zweifelsfall
brutale Gauner, die glauben, mit wenig Aufwand ans große Geld zu
kommen. Was sie sich da ans Bein gebunden haben, merken sie erst,
wenn sie versuchen, die heiße Ware zu verhökern. Am Ende sind sie
oft froh, wenn sie von irgendeinem Hehler ein Zehntel oder sogar nur
ein Hundertstel des offiziellen Marktwertes erhalten. Allerdings
trifft das längst nicht auf alle zu. In der organisierten
Kriminalität werden Kunstwerke immer öfter als Währung
akzeptiert. Berühmte Gemälde werden benutzt, um schmutziges
Geld zu waschen oder um Drogen zu bezahlen.»
«Das
heißt aber: Ein gestohlener Picasso findet nicht einfach einen
neuen Besitzer, sondern er kursiert, er geht in der Unterwelt von
Hand zu Hand?», fragte Marthaler.
«Genau.
Aber ich will auf etwas anderes hinaus. Es gibt noch eine weitere
Methode, durch einen Kunstraub reich zu werden. Und diese Methode
scheint für die Räuber immer lukrativer zu werden ... Kommst du
drauf?»
Marthaler
verdrehte die Augen: «Carlos, bitte, lass mich nicht dauernd dumm
dastehen. Sag einfach, was du weißt, ja!»
«Also:
Man nennt diese Methode Artnapping. Kunstwerke werden gestohlen, um
dann von den rechtmäßigen Besitzern oder von der Versicherung ein
Lösegeld zu erpressen. Du erinnerst dich an die Geschichte in der
Schirn im Sommer 1994?»
«Vage.
Es war nicht mein Ressort. Ich weiß nur, dass damals drei oder
vier wertvolle Gemälde gestohlen wurden.»
«So
ist es. Zwei Männer hatten sich abends im Museum einschließen
lassen. In der Nacht haben sie einen Wachmann überwältigt und drei
Bilder von den Wänden abgeschraubt. Es waren zwei Gemälde von
William Turner, die der Tate
Gallery
gehörten, und ein Caspar David Friedrich aus der Hamburger
Kunsthalle, alles drei äußerst wertvolle Leihgaben. Es war
der einzige spektakuläre Kunstraub, mit dem ich zu tun hatte. Ich
habe damals für Herrmanns Truppe die Spuren untersucht, die die
Tater im Museum hinterlassen hatten.»
Marthaler
verdrehte die Augen. «Du meinst Hans-Jürgen Herrmann?»
«Ja.
Er leitete die Ermittlungen. Ziemlich bald konzentrierten sich
unsere Nachforschungen auf fünf Männer, alles kleine Ganoven.
Einer von ihnen war Messebauer von Beruf.
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