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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Wirbelsäule, die Rippen.
    »Nichts«, sagte er. »Keine Brüche, keine Metallfragmente,
Patronenhülsen etwa.« Er schüttelte ratlos den Kopf. »Ihr Hund hat junge
Knochen für sein Alter. Die Jahre haben seine Gelenke noch nicht abgenutzt, die
Wirbelsäule ist nicht verkrümmt, seine Rippenknorpel sind nicht verkalkt.«
    Im Magenbereich blieb er hängen. Er ging näher an die Aufnahme heran
und kniff die Augen zusammen. Der Zeigefinger zog Kreise. »Aber hier. Da stimmt
was nicht. Das sieht aus wie aufgerissen. Innerlich, nur innerlich. Als ob im
Magenraum was passiert wäre. Sehen Sie? Das Helle hier, das ist in Wirklichkeit
dunkel. Und da sieht man viel Helles. Als ob etwas geplatzt wäre und sich Blut
gestaut hätte. Wie ein heftiges Magenbluten sieht das aus.«
    Als hätte ihm jemand in den Rücken gestochen, richtete Kelber sich
plötzlich auf. »Da!« Der Zeigefinger stieß nach vorn wie ein Dolch. »Da ist
etwas.« Bruchlinien durchzogen die obere Schädeldecke wie erstarrte Blitze.
»Das sind Wirkungsverletzungen. Da muss ihn etwas wie ein fürchterlicher Schlag
getroffen haben. Hier – winzige Splitter. Knochensplitter. Aber von außen
ist überhaupt nichts zu erkennen.«
    »Niemand hat ihm auf den Schädel geschlagen«, wandte Ottakring ein.
    »Um Gottes willen, das hab ich in meiner ganzen Praxis noch nie
erlebt. Nicht mal an der Uni.«
    Der Lichtschein aus dem Kasten fiel seitlich auf Kelbers Gesicht und
hob die markanten Linien seiner Wangenknochen hervor. Der Tierarzt sah über die
Schulter hinweg zuerst Ottakring in die Augen, dann Lola.
    »Sind Sie damit einverstanden, dass ich den Kadaver öffne? Nur so
können wir herausfinden, was passiert ist.«
    Wie oft hatte Ottakring schon Leichenöffnungen begleitet. Hunderte
Male wahrscheinlich war er selbst in der Pathologie dabei gewesen. Doch hier
fühlte er sich wie ein zehnjähriges Mädchen, dem der Goldhamster gestorben ist.
    »Nein!«, brachte Lola schniefend hervor. »Wir wollen den Hund so in
Erinnerung behalten, wie er war. Das macht ihn ja nicht mehr lebendig.«
    Ottakring gab sich einen Ruck. Seine alte Kampfeslust erwachte. Er
legte Lola die Hand auf die Schulter. »Liebes«, sagte er. »Wir müssen
Sicherheit haben, was mit dem Hund geschehen ist. Der Herr Huber ist
schließlich nicht einfach umgefallen und gestorben.« Seine Wut, unbestimmt und
dumpf, nagte fast an seinem Verstand. »Es gab ein Schussgeräusch. Auch wenn ihn
kein Schuss getroffen hat. Ich will wissen, was da passiert ist.«
    Er machte einen Schritt auf den Kasten zu und sah sich noch einmal
das Bild an. »Fremdeinwirkung«, sagte er wie geistesabwesend.
»Fremdeinwirkung.« Dann tippte er mit der Spitze des Zeigefingers auf Kelbers
Brust und sagte bestimmt: »Los, machen Sie ihn auf!« Er wandte sich Lola zu.
»Und ich will dabei sein.«
    Es war grauenhaft.
    Ottakring hatte mit den Tränen zu kämpfen.
    Dr. Kelber führte einen langen Schnitt und klappte die bleichen
Hautlappen zurück. Er benutzte eine einfache Gartenschere, um die Rippen zu
durchtrennen, und hob den Block von Brustbein und Rippen heraus.
    Das Innere des Hundes konnte man nur mit einem Wort beschreiben. Es
war verwüstet. Ein ums andere Mal erstarrte selbst der so erfahrene Veterinär
Dr. Kelber. Seine Finger krampften sich um den Griff des Skalpells. Die Spitze
ruhte auf der Haut des Hundes. Der Magen war geplatzt, im gesamten Innenraum
hatte sich massenhaft Blut angesammelt. Etwas Unbekanntes hatte von innen
heraus Arterien und Venen zerrissen und die Eingeweide perforiert. Das
Ereignis, was immer es gewesen war, musste mit ungeheurer Wucht zugeschlagen
haben. Es hatte sogar die Lungen zum Platzen gebracht, das Herz verformt und
die Schädeldecke eingerissen.
    »Unfassbar«, sagte Dr. Kelber, als er das Skalpell zur Seite legte.
»Herr Huber ist von innen heraus regelrecht geborsten.«
    »Hat er leiden müssen?«, sagte Ottakring mit zittriger Stimme. »Ich
meine, war er – äh – sofort tot?«
    »Leiden müssen?«, gab der Tierarzt abwesend zurück.
    »Leiden müssen.«
    »Nein. Bestimmt nicht. Das war, als ob eine Bombe eingeschlagen
hätte.«
    Noch am selben Abend stand Ottakring in seinem Bügelzimmer und
starrte zum Fenster hinaus. Versteinert, unfähig, zu lesen, zu denken oder ein
Gespräch mit Lola zu führen.

ACHT
    Der Mann, der sich Kosmos nennt, steigt gemächlich die
Stufen hinunter, die vom verschwenderisch gestalteten Eingang zu Heinz Winslets
Residenz hinabführen auf den

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