Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
dachten Sie denn? Vielleicht auf Männer?«, erwiderte Ottakring.
Ihm war fast schlecht vor Gier nach etwas Rauchbarem. Wieder fasste er an die
leere Tasche.
    Zuerst erhob sich der Präsident, nach ihm der Polizeidirektor. »Was halten
Sie davon, Herr Ottakring, wenn Sie sich die Sache bis morgen überlegen?«,
sagte der Präsident. »Ich rufe Sie an. Hier ist meine Karte, falls Sie noch
Fragen haben. Wir wollen weder betteln noch Sie zu überreden versuchen. Aber
ich sage Ihnen frei heraus, dass ich mich über eine positive Entscheidung sehr
freuen würde.«
    Ottakring stellte die Frage, die ihm von Anfang an auf der Zunge
gelegen hatte: »Ab wann müsste – würde ich denn anzufangen haben?«
    Sein Gegenüber war einen halben Kopf größer als er. Er sah auf
Ottakring herab und sagte nachsichtig: »Sofort!«
    Auf der Suche nach einer Tageszeitung irrte Ottakring
durch das Labyrinth des Hotels. Dass er vorhin auf der falschen Beerdigung
gelandet war, war ihm vor sich selbst peinlich. Er wollte den Grund
herausfinden. Schließlich fand er ein Oberbayrisches Volksblatt im Musiksalon,
wo ein Mann am Flügel saß und den Raum mit wilder Musik erfüllte. Ottakring
schlug die Traueranzeigen auf. Unwillkürlich verzog sich sein Mund zu einem
schrägen Lachen. Natürlich, da stand’s schwarz auf weiß. In seiner üblichen
Hast hatte er die Anzeige in der Spalte neben der Scholl-Anzeige gelesen und so
den Ort verwechselt.
    »Was gibt’s denn da zu lachen?« Der Mann hatte zu spielen aufgehört.
Er saß hinter dem Flügel und hatte beide Hände auf dem geöffneten Deckel
ausgebreitet. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht. »Na, kennst mich
nicht mehr?«
    In Ottakrings Kopf machte es Klick. Kirchbichler! Niki Kirchbichler
aus seiner Münchener Schulzeit. Er hatte am Gymnasium sechs Jahre neben ihm
gesessen. Und sechs Jahre lang hatten sie sich nicht gemocht und sich oft
gegenseitig zur Weißglut getrieben.
    Ottakring legte die Zeitung zur Seite und verzichtete auf eine
freundliche Miene. »Ich glaub nicht, dass ich dich noch gekannt hätte«, sagte
er bissig. »Aber dein Bild war ja oft genug in den Medien.« Er machte einen
Schritt auf den Flügel zu. »Früher«, fügte er spöttisch hinzu.
    Kirchbichler war ein mittelgroßer, gut aussehender Mann, der wie
Ottakring die fünfzig schon gut überschritten hatte. Eine blassbraune, gelockte
Mähne umspielte seine Schultern. Sportliche Figur in lässigem Outfit. Dunkel
beschattete Wangen ließen auf einen starken Bartwuchs schließen.
    Er lächelte Ottakring an – mit einem strahlenden
Zehntausend-Volt-Lächeln, das zwei Reihen blendend weißer Zähne offenbarte. »Ja
mei, wir werden alle nicht jünger. Schau dich doch an.« Auch er vermied es, dem
anderen die Hand zu reichen. »Ich wohn hier im Hotel. Hab eine Suite auf der
oberen Etage gemietet.« Er winkte ab und lächelte schräg. »Ganz bescheiden.
Eine Junior-Suite.«
    Donnerwetter, was der sich leisten kann, dachte Ottakring.
»Junior-Suite, aha. Haben die hier keine Suiten für Senioren?«
    Wir sind zwei sehr Erwachsene, die sich nach gut dreißig Jahren zum
ersten Mal wieder sehen, dachte Ottakring. Zwei, die weise genug waren, nicht
mehr auf sich selbst hereinzufallen.
    »Hast du noch mal was von dem alten Jitschin gehört?«, fragte
Kirchbichler.
    Blöde Frage. Jitschin war ihr Klassenlehrer gewesen. Mathe und
Physik. Was hätte er schon von ihm hören sollen. Man beendet die Schule, ist
froh darüber und geht seiner Wege. »Er soll einmal auf einem Klassentreffen
aufgetaucht sein«, gab Ottakring so höflich zurück, wie es ihm möglich war.
»Jetzt am siebenundzwanzigsten Dezember ist wieder eines.«
    Kirchbichler nickte und schlug ein paar Töne an, ohne auf die Tasten
zu sehen. »Ja, ich weiß. Wie jedes Jahr. Am Anfang war ich zwei, drei Mal
dabei. Danach nie mehr. Keine Zeit.«
    »Klar. Die vielen Weiber«, frotzelte Ottakring und verzog den Mund.
    Der andere lachte. »Na, so schlimm war’s nicht damit. Die Arbeit,
mein Lieber. Die Arbeit und das andauernde Unterwegssein. Nein, die
Weiber …«
    Wenn einer ihn schon völlig versnobt mit »mein Lieber« anredete!
Ottakring war heilfroh, dass das seichte Geplapper abrupt ein Ende fand, als
die Rosenverkäuferin in der offenen Tür stand.
    »Hallo! Eine Rose für die Herren?«, fragte sie mit schmelzendem
Mezzosopran und funkelndem Blick. Die samtene Weichheit ihres Teints, das
dunkle Haar, die leicht gerunzelte Stirn – was ist das

Weitere Kostenlose Bücher