Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
Vom Netzwerk:
feucht.
    »Das werden sie büßen.«
    Wann war er das letzte Mal mit Herrn Huber unterwegs gewesen? Am
vergangenen Samstag in der Früh war es gewesen, vierundzwanzig Stunden bevor er
die Lackschäden an seinem Auto entdeckt hatte.
    Er hatte das Fahrrad aus der Garage gezogen. Herr Huber sprang
aufgeregt um ihn herum. Biss ihn vor lauter Vorfreude und Übermut in den Schuh.
Falsch. Beißen wäre die falsche Bezeichnung. Er nahm den Schuh sanft ins Maul
und kaute zärtlich drauf herum.
    Ottakring nahm ihn an die Leine, blieb kurz stehen und betrachtete
den Hund zärtlich, wie er dasaß und zu ihm aufschaute. Weiße Brust,
schwarz-weißer Kopf mit langer Schnauze. Verschwenderisches Orange an der Brust
und an den Beinen, bevor diese nach unten in Weiß endeten. Orange in den steil
aufgestellten, neugierig zuckenden Brauen. Weiße, abstehende Wimpern, weiße
Barthaare, weiße Schwanzspitze.
    Huber trabte auf der rechten Seite neben dem Fahrrad her. Seine
Ohren – außen schwarz, innen braun, mit einem weißen Fleck an der
Spitze – wippten rauf und runter. Manchmal, wenn der Hund eine Sensation
vermutete, stellte er das rechte Ohr senkrecht. Eine Sensation, das war für ihn
die Kuhherde auf der Weide oder ein Pferd, ein fremder Geruch, den er im
Vorüberlaufen wahrnahm, das Eichhörnchen, das vor ihnen auf den nächsten Baum
flüchtete. Eine Sensation, das war für ihn auch der Bach, aus dem er trinken
konnte, und der Chiemsee, in dem er schwamm wie ein Delfin. Wie ein Kind
strahlte er vor Glück, als er wieder an Land kam, schüttelte sich halb trocken
und Ottakring nass und wartete auf sein Guaterl, das Ottakring ständig bei sich
trug. Ohne zu blinzeln oder wegzuschauen sah er seinem Herrn so lange und tief
in die Augen, bis er seine Belohnung im Maul hatte.
    Sie waren weitergeradelt zu Liebermanns Biergarten, der nach dem
Brand vor zwei Jahren in neuem Glanz erstrahlte. Ottakring trank einen
Cappuccino mit Liebermann, und Herr Huber tollte mit seinem Freund Wuschel wie
verrückt hinter einem Tennisball her. Die beiden Hunde hatten sich lange nicht
gesehen.
    Auf dem Heimweg – es waren bestimmt zehn Kilometer
gewesen – wurde Herr Huber immer langsamer. Bis er schließlich mit weit
heraushängender Zunge in einen Zockeltrab verfiel und nur mehr eines wollte:
heim in seinen Garten. Dort legte er sich auf den Rasen und ließ sich die Sonne
auf den Bauch scheinen.
    Ottakring saß daneben. Er hatte kein Buch und keine Gießkanne in der
Hand und tat auch sonst nichts. Er saß nur da und betrachtete Herrn Huber. Vor
Jahren hatte er ihn aus dem Tierheim geholt, und seither waren sie zusammen.
Huber war wie ein Kind für ihn gewesen, besser noch wie ein Bruder oder Freund.
Nicht mehr wegzudenken aus seinem Leben.
    Sie waren da. Der Kombi vor ihnen hielt auf dem Parkplatz
der Tierarztpraxis. Ottakring schluchzte auf. Lola massierte seinen Nacken
leicht.
    »Dein Lebensabschnittsgefährte«, flüsterte Lola leise.
    Ottakring nickte unter Tränen. Tränen der Trauer, vermischt mit
Tränen der ohnmächtigen Wut. Jemand musste etwas manipuliert haben. Es war
unmöglich, dass der austrainierte Herr Huber einfach so vom Stangerl fiel, und
noch dazu mit dieser Menge Blut. Er musste nicht lang überlegen, wer hier
eingewirkt haben könnte. Bloß auf welche Weise? Grenzenloser Zorn flammte auf.
    Kelber hatte eine Gummischürze übergezogen. Auf einer Art Bahre trug
er den Hundekadaver nach drinnen. Der pferdeschwänzige Tierarzt war eine imposante
Erscheinung mit breiten Schultern und durchdringendem Blick. Ein Blick, der
jeden zum Geständnis zwingen würde, dachte Ottakring.
    »Zuerst werde ich das Tier röntgen«, sagte Kelber. »Die Aufnahmen
können vielleicht gleich Aufschluss geben.«
    Sie nahmen in dem winzigen Warteraum Platz, dessen einziges Inventar
aus zwei Fichtenholzbänken und einer Hundebar mit Trockenfutter und einem
Wassernapf bestand.
    Kelber kehrte mit den Aufnahmen unterm Arm zurück, und sie folgten
ihm in einen Nebenraum mit einem Leuchtkasten an der Wand. Er klemmte zwei
Bilder an den Kasten und drückte auf den Schalter. Licht flackerte auf, und
Aufnahmen des Hundeskeletts wurden sichtbar.
    Gnadenlos beleuchtete das Kunstlicht auch Ottakrings müdes Gesicht
mit den grauen Tränensäcken und den hängenden Wangen. Das also ist mein Herr
Huber, dachte er. Herr Huber von innen. Tot.
    Kelber überflog die Aufnahmen sorgfältig und fuhr ein paar Stellen
flüchtig mit dem Zeigefinger nach. Den Schädel, die

Weitere Kostenlose Bücher