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Rosenmörder (German Edition)

Rosenmörder (German Edition)

Titel: Rosenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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für Kemal und dich. Aber in keinem der
Fälle bin ich bisher weitergekommen.
    Ihr habt die aus dem Russenhaus vernommen?
    Ottakring nickt und kratzt sich am Kinn. Absolut.
Ellermaier selbst hat sie verhört.
    Natürlich getrennt?
    Klar. Aber sie haben sich in keinem Punkt
widersprochen. Entweder sie waren einkaufen, haben ferngesehen, haben
geschlafen oder sich gegenseitig besucht. Ihre Pässe sind okay, keine Einträge.
Lenya heißt der eine, Pistolnik der andre. Entweder sie haben sich perfekt
abgestimmt oder …
    Oder sie sind wirklich nicht beteiligt? Kann’s
nicht sein, dass du dir das alles nur einbildest?
    Ottakring winkt ab. Wer soll’s denn sonst gewesen
sein?
    Ich richte mich im Bett auf. Meine Ellenbogen
schmerzen. Sag mal, Herr Kriminalrat. Du wirst dich sicher schon gefragt haben,
welches Motiv die denn haben sollen? Kommen ein paar kleine Russlein
hergezogen, schnappen sich einen coolen Kriminaler und gehen ihm an den Kragen.
Warum, Joe? Warum sollten sie das tun? Wo ist das Motiv?
    Ottakring wendet sich vom Fenster ab, zieht einen
Stuhl heran und setzt sich. Also, sagt er.
    Also?
    Also wir sind immer noch in Bayern, sagt er. Da
herrscht Gerechtigkeit und Ordnung. Sag mal, wie lang wird das noch dauern mit
dir? Was sagen die Ärzte?
    Bisher stehe ich mit einer Aufmerksamkeit in dem
Geschehen da draußen, als würde ich mit einer fremden Sprache bekannt gemacht.
Jede Sprache kann man nur mit höchster Konzentration erlernen. Mehrmals während
unseres Gesprächs zwingt mich Übelkeit in die Kissen. Dann wartet Ottakring,
bis ich ruhiger atme, und wischt mir mit einem feuchten Tuch übers Gesicht.
    Ich aber bin entschlossen, keine Schwäche zu
zeigen. Ist Kemal eigentlich schon beerdigt?, frage ich, nur um etwas zu
fragen. Doch es war die falsche Frage. Eine dumme Frage. Tränen schießen mir
schlagartig aus den Augen, und mein Gesicht muss sich zu einer grauslichen
Fratze verzerrt haben. Erst jetzt, da mein früherer Kollege tot ist, wird mir bewusst,
wie sehr ich an ihm hänge. Ob es aber Liebe war?
    Madl, reiß dich zusammen. Du bist seit zwei
Wochen hier drin. Natürlich haben wir ihn beigesetzt. Wir haben ihn ja nicht
einbalsamiert. Du hast ihn sehr gemocht, nicht?
    Stumm nicke ich.
    Ottakring öffnet den Mund und will noch etwas
sagen. Da rumpelt es laut an der Tür. Geräusche, Schreie draußen am
Krankenhausflur.
    Ich kriege noch mit, wie sich Ottakrings leicht
mit Schweiß beperlte Stirn in Falten zieht und er sich herumwirft. Zuerst
kriecht mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Dann wird es mir wieder
schwarz vor Augen.

ZEHN
    Das Jochbergkircherl stand südlich des Chiemsees an der
höchsten Stelle eines siebenhundertsiebenundsechzig Meter hohen Hügels am Rand
einer einsamen Waldlichtung. Wolkenschatten glitten über die spätgrüne
Waldwiese. Das Kirchlein war romanischen Ursprungs und wie üblich später
barockisiert worden. Von den zwei hintersten Bankreihen aus hatte man durch das
geschlossene Sicherheitsgitter hindurch einen beeindruckenden Blick auf den
goldüberladenen Altarraum.
    Der Bergwanderer auf der vorletzten Bank hatte die Augen starr zur
bemalten Kassettendecke aus der Renaissancezeit gerichtet. Sein Oberkörper
lehnte seltsam verdreht an der Kirchenmauer.
    Der junge Mann im gelben T-Shirt mit » CRASH« auf der Brust und quadratischen Schweißflecken unter den Achseln erkannte erst
nach einer Weile, dass mit der Gestalt vor ihm etwas nicht stimmen konnte.
    »Hallo«, sagte er, vom Berglauf immer noch hechelnd. »Hallo. Geht’s
dir nicht gut?« Er tippte den Mann leicht an der Schulter an.
    Die Gestalt neigte sich widerstrebend nach vorn, ging in die Knie
und klatschte vornüber auf den Steinboden, als wolle sie ihn mit dem Gesicht
aufwischen.
    Der junge Mann mit dem » CRASH«  –
er hieß Karl – zückte sofort sein Handy.
    Der Ermittlungstrupp und der Arzt trafen ein, als Karl in
der gegenüberliegenden Bergwirtschaft bereits geduscht hatte. Anni, die Wirtin,
hatte Karl trockene Sachen ihres Mannes gegeben, der vor eineinhalb Jahren in
den Schweizer Alpen abgestürzt war.
    »Jetzt könnten wir Chili brauchen«, sagte Bruni, der Leiter des
Trupps. »Sie hätte sämtliche Daten über ähnliche Fälle im Kopf. Falls es welche
gibt. Verstorbene in einem Bergkircherl.« Er schüttelte den Kopf. »Aber sie ist
ausgerechnet bis heute Abend auf Lehrgang.« Sie spannten das Absperrband
großzügig vor das romanische Portal. »Wer bringt schon einen Bergwanderer bei
der

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