Rosenmörder (German Edition)
Parkplatz. Er war für die Sicherheit von Nadeschda
Gubkinowas Charityveranstaltung verantwortlich gewesen. Es war nichts
Außergewöhnliches vorgefallen. Er war sogar nahe dran gewesen, die Party zu
genießen.
Kosmos lächelt in sich hinein. Hinter vorgehaltener Hand hatte ihn
Veronica, die schöne Schauspielerin – ihren Nachnamen hat er
vergessen –, nach der Bedeutung seines Namens gefragt. Kosmos? Woher kommt
das? Seine Eltern hatten ihm den Namen des ersten Satelliten verliehen, der den
Ruhm der damaligen Sowjetunion ins Weltall trug. Von Geburt an war ihm diese
Wahl recht gewesen. Er mochte Kosmos als Vornamen, er war stolz darauf, er
fühlte sich auch durchaus kosmisch. Veronica hatte ihn jedoch mit einem Lächeln
bedacht, aus dem der Zweifel sprach.
Es ist fast Mitternacht, als er sich seinem Auto nähert. Mondlicht
quillt durch schnell ziehende Wolken und gibt eine schwache Beleuchtung für den
Parkplatz ab. Dort stehen in losen Abständen die wenigen Fahrzeuge verbliebener
Festgäste.
Die Scheinwerfer eines abfahrenden Autos erfassen einen Fuchs. Das
Tier ist dabei, den Platz zu überqueren, und bleibt stehen. Dann schleicht es
weiter. An einem frisch gewaschenen Lada Kombi hält der Fuchs an. Es ist
Kosmos’ Lada Kombi. Das Fahrzeug stammt noch aus der Zeit vor der verdammten
Wende, ist von verwaschen himmelblauer Farbe und bis auf wenige seitliche
Beulen intakt. Der Fuchs hebt das Bein und pieselt wie ein Hund gegen den
rechten Hinterreifen. Kosmos liebt seinen Lada, und er hasst jeden, der ihm
wehtut. Wie dieser Fuchs.
Kühle Luft strömt vom Gebirge her.
Kosmos tut etwas, was für ihn Routine ist. Er streift sich dünne
Gummihandschuhe über. Er greift nach dem Rasiermesser, das er ständig bei sich
hat. Es steckt in dem schmalen Fach neben der linken Innentasche seines
Smokings, in dem gewöhnlich Schreibgeräte aufbewahrt werden. Mit einem geübten
Vorschnalzen des Zeigefingers springt das Messer auf. Kosmos achtet darauf,
dass er sich im Windschatten bewegt, und pirscht sich geräusch- und geruchlos
an das Tier heran, ein kleiner Schritt nach dem anderen.
Fuchshaare bewegen sich im Wind, Ohren zucken. In letzter Sekunde
muss der Fuchs den Angreifer bemerkt haben. Er springt auf und will flüchten.
Das Einzige, was Kosmos hören kann, ist sein Herz. Und jetzt wirst
du sterben.
Ein dünner Schrei ist alles, was die Stille unterbricht. Kosmos
hätte gewettet, dass Füchse nicht schreien. Aber dieser schreit in Todesangst.
Nur kurz. Gerade so lange, wie der Schnitt dauert, der den Kopf vom Rumpf
trennt.
Er hatte das Tier mit der Linken an den Ohren gehalten. Mit der
Rechten hatte er den Schnitt geführt. Nicht ruckartig, sondern sehr bestimmt,
geübt und elegant von unten nach oben. Sorgfältig achtet er darauf, nicht von
dem Blutschwall getroffen zu werden, der sich wie aus einem Rohr aus dem
offenen Hals ergießt. Überall frisches Blut. Er zückt die Taschenlampe,
beschirmt das Glas mit der gewölbten Hand und schaltet sie ein. Keine Frage,
der Fuchs ist tot. Und seine Schuhe sind sauber geblieben, kein Spritzer
darauf. Er knipst die Lampe aus und setzt sich für einige Augenblicke auf seine
Stiefelabsätze. Gnadenlos beleuchtet der kleine Mond die Szene. Kosmos fühlt
sich wie auf dem Präsentierteller, umgeben von Autos mit dunklen Fenstern. Doch
er kann niemanden sehen oder hören.
Der Fuchskopf landet im Gebüsch südlich des Parkplatzes, dort, wo
nur zwei Autos geparkt sind. Den Kadaver schleift er an den Hinterbeinen zu
westlichen Seite. Das Blut wird bei Tagesanbruch trocken sein. Niemand wird die
Flecken für eine Blutspur halten. Kosmos reinigt das Rasiermesser mit dem Papier
einer Küchentuchrolle, die er von der Ladefläche des Lada holt. Er klappt das
Messer zu und steckt es wieder ein. Da er kein Wasser zur Verfügung hat, öffnet
er den Schlitz der Smokinghose und überlagert den Urin des Fuchses mit dem
eigenen.
Zufrieden klemmt er sich hinter den Fahrersitz und lässt den Motor
anspringen. Der hat einen tiefen, gutturalen Klang. Kosmos öffnet eine
Bierdose, setzt sie an den Mund und nimmt zwei Schluck. Langsam rollt der Wagen
an.
Der Mond hat schon über die Hälfte seiner Bahn zurückgelegt.
NEUN
Am nächsten Morgen marschierte Ottakring ein paar
Schritte, bevor er wieder zum Dienst ging. Er kam sich vor wie in einem
Fantasyfilm. Herr Huber trabte neben ihm her, hob am gewohnten Baum sein Bein,
beschnüffelte den Mann, der auf der Ruhebank um die Ecke in der
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