Rosenmörder (German Edition)
Beuteltier.« Sie versuchte zu lachen.
»Was bedrückt dich, Liebes?«, fragte er.
»Zum Beispiel, dass es dir nicht gut geht.«
»Wie kommst du darauf?«
»Warum hast du wieder mit dem Rauchen angefangen?«
»Ach das. Das ist doch nur eine Spielerei.« Er wollte nicht zugeben,
dass er am liebsten rausgehen und sich eine anstecken wollte.
Sie hielt die Hand mit dem Ring hoch. Er glänzte wie frisch poliert.
»Meine jüngst errungene Tapferkeitsauszeichnung«, flachste sie. Sie
legte einen Arm um Ottakring und zog ihn an sich. »Unter einem guten Stern
stand der Beginn unserer Ehe wirklich nicht. Die Russen da drüben mit ihrem
Mobbing. Die Mordserie. Und du mittendrin in dem ganzen Dilemma. Ich hab
einfach Angst um dich. Ach Gott, ging’s uns gut, als du noch Pensionär warst.«
Ottakring löste sich aus ihrer Umarmung. Dass er seinerseits Angst
um seine Frau hatte, ließ er sich nicht anmerken. Hatte sich die Situation
durch den Tod eines Mörders verbessert? Er konnte es nicht einschätzen. Es
konnte noch alles Mögliche passieren. Einschließlich einer Entführung. Er
presste die Hände aneinander, sodass die Adern auf seinen Handrücken
hervortraten. Feuer stand in seinen Augen. Doch er spielte die Lage herunter.
»Na, na«, sagte er. Er wusste, dass seine Frau einen eisernen Willen
und einen stahlharten Kern hatte, sodass sie in der Vergangenheit fast immer
bekommen hatte, was sie wollte. Sie konnte aber auch etwas Verwundbares haben,
so wie in solchen Minuten. Diesen Teil an ihr liebte er beinahe noch mehr. Sie
hatten geheiratet, nicht nur, weil sie absolut unwiderstehlich war und sie
genau das verkörperte, was er gesucht hätte, wenn er sich auf die Suche hätte
begeben müssen. Er sah sie nicht direkt an, konnte sie aber aus den
Augenwinkeln betrachten.
Lolas Mund war geöffnet geblieben, als hätte sie noch etwas auf dem
Herzen, was ihr nicht ganz über die Lippen kam.
»Versteh mich nicht falsch, Joe. Eine Ehe ist schließlich kein
Hinderungsgrund für Liebe. Sie ist eine Entdeckungsreise durch Täler und
Höhen.«
»Sehr schön gesagt. Und unsere Reise hat in einem tiefen Tal
begonnen. ›Die Ehe ist kein Fertighaus, sondern ein Gebäude, an dem ständig
konstruiert und repariert werden muss.‹ Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt
hat, aber …«
Ihre Hand verschloss seinen Mund.
Er erhaschte ihren Blick.
»Es gibt auch gute Nachrichten«, sagte sie. »Seit wir verheiratet
sind, sehe ich von Tag zu Tag besser. Vorher so …« Ihre Hand rutschte über
seine Augen. »Nachher so.« Ruckartig entfernte sie die Hand wieder.
Er konnte die kleinen feuchten Perlen auf ihrer Haut sehen. Dass ihr
Hochzeitstag die Wende herbeigeführt haben sollte, hielt er für Aberglauben.
Vielmehr glaubte er fest, dass der Schock, den sie erlitten haben musste, die
Infektion einfach weggefegt hatte. Wie ein reinigendes Gewitter.
»Ich bin froh, dass wir jetzt verheiratet sind«, sagte sie leise.
Ottakring war nicht nur froh. Er fand es immer noch unfassbar, dass
die berühmte Lola Herrenhaus ihm, dem Polizeibeamten, das Jawort gegeben hatte.
Er konnte nicht verstehen, wie er sich so lange geziert hatte.
Sie aßen ihr Müsli und tranken Tee, während sie sich eine knappe
Stunde lang auf der kleinen überdachten Terrasse unterhielten. Sie fröstelten,
ließen sich die Frischluft aber nicht nehmen. Es ergab sich, dass sie einfach
Erinnerungen auffrischten. Wie sie sich kennenlernten, der Faschingsball im
Funkhaus, wie Lola sich nur mühsam an Herrn Huber gewöhnen konnte, ihr Urlaub
am Meer. Ihre Trennungspausen, kurz und schmerzhaft, ihre Besuche beim Onkel,
der dann doch starb und ihr das Haus überließ.
»Ist unser freundlicher Nachbar eigentlich immer noch nicht aufgetaucht?«,
fragte Lola schließlich. »Du wolltest ihn doch häuten oder ihm den Kopf
abbeißen, wenn du ihn triffst.«
»Nein«, sagte er versonnen. »Er ist immer noch nicht aufgetaucht.«
Seine Gedanken über das Verschwinden des Hundemörders behielt er für sich.
DREI
»Lenya ist aufgetaucht«, begrüßte ihn Eva M., als er
an diesem Sonntag kurz vor zehn das Konferenzzimmer im Präsidium betrat.
Er spürte, wie sein Herz schneller schlug. Einmal wegen der
Neuigkeit. Zum anderen weil er Eva M. vor sich sah. Er legte ihr beide
Hände auf die Schultern.
»Wieso sind Sie hier? Ich hätte – wir hätten hier alle –
jedes Verständnis dafür, wenn Sie sich abmelden würden. Ihr Freund ist gerade
getötet
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