Rosenmörder (German Edition)
Knie und etwas näher an den Kopf heran. Betrachtete
ihn von allen Seiten. »Ja, das ist er«, sagte sie schließlich sehr bestimmt.
Erwartungsvoll sah Ottakring den Staatsanwalt an.
Goldner breitete die Arme aus. »Egal. Vorschrift ist Vorschrift. Wir
dürfen keine überflüssigen Spuren setzen. Wir warten, bis der LKA -Trupp angekommen ist. Verständigt wurden sie
vor …«, er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, »… vor
fünfunddreißig Minuten.«
»Na gut«, gab Ottakring zu verstehen. »Dann bin ich ja hier
überflüssig.«
So ein Gschiss. Was sollte er auch hier? Schließlich würden die LKA ler in Kürze eintreffen. Dann waren alle vereint.
Der Staatsanwalt, die Rechtsmedizinerin, die Spurensicherung, seine eigenen
Leute, der Chef des LKA -Ermittlungsteams, der dann die
Arbeit an sich reißen würde … Wenn sie ihn brauchten, wussten sie, wo sie
ihn finden würden.
»Hey, gib mal eine Zigarette, Bruni.«
Bruni fuhr herum, als hätte ihm jemand ein Messer in den Rücken
gestoßen.
»Zigarette? Sie?«, entfuhr es ihm ungläubig.
»Zigarette? Sie?«, rief Eva M. entsetzt.
Aufatmend zog Ottakring einen Stängel aus der angebotenen Schachtel.
Ließ sich Feuer geben und nahm einen tiefen Zug. Es fühlte sich gut an.
Zukünftig würde er wieder Wirtschaften bevorzugen, in denen geraucht würde.
Seine Lungen weiteten sich, und ein ungeheurer Appetit kam auf. Er musste Lola
sehen. Und – er hatte seit einer Woche kein Hemd mehr gebügelt.
ZWEI
Der Sonntag war verregnet und kühl. Das gedämpfte Licht
verriet es. Ein rascher Blick aus dem Fenster genügte. Heute war es kein Wecker
gewesen, sondern Lolas leises Gurren, das Ottakring geweckt hatte. Es war ein
überwältigendes Erwachen, das er so nicht erwartet hatte, denn sie hatten sich
schon vor dem Einschlafen geliebt.
Er brauchte im Normalfall kein Handy und keinen Wecker, um
aufzuwachen. Sein ganz persönlicher Wecker tickte absolut zuverlässig in seinem
Kopf. Wenn er es sich am Abend vornahm, wachte er in der Früh ganz von allein
auf, ohne irgendwelche äußeren Reize. Hey, morgen musst du um halb sechs
aufwachen. Wenn er sich das vornahm, genügte das. Es funktionierte immer. Nur
weil Lola diesem Erwachensinstinkt nie so richtig vertraute, stellte sie ihre
eigene Maschine an. Dieses wuchtige Dröhnen, verbunden mit Vibrieren und einer
blödsinnigen Aufwachmelodie, stahl ihm die Freude seines ganz persönlichen
Rituals.
Wenn er es sich leisten konnte, lag er in der Früh einfach mit
geschlossenen Augen da, breit ausgestreckt unter oder auf der Bettdecke, und
dachte an vollkommen belanglose Dinge. Wird Bayern München am nächsten
Wochenende wieder solche Prügel beziehen wie gegen die Stadtauswahl von Passau?
Wird Lola die Swarovski-Steine, die ich ihr für ihre Piratenklappe geschenkt
habe, dranbehalten oder sie entfernen? Oder sie nur zu besonderen Anlässen
anlegen? Werde ich nach Herrn Hubers Tod jemals wieder einen Hund haben? Solche
Dinge eben. Gedanken nicht disziplinieren, nein, ruhig mal vagabundieren
lassen.
Sie lehnten sich im Bett zurück, wie sie es meistens taten, wenn
ihre Zeit es zuließ. Sie dachten nach und unterhielten sich leise.
Draußen schrien die Ringeltauben.
Ottakring ging zum Fenster und schloss es. Die Vorhänge hielten in
ihrem hektischen Tanz inne. Das Schlafzimmer lag im Obergeschoss, von dem eine
schmale, gewundene Treppe nach unten führte. Es war spärlich möbliert mit
Schrank, einem Sessel mit Leopardenfellbezug, einem Frisiertischchen mit einer
Decke aus dem gleichen Stoff. Auf einem Beistelltisch stand ein kleiner
Fernseher, daneben eine Minibar für den Champagner. Neben Lola eine niedrige
Ablage, deren einziger Zweck darin bestand, die Vase mit der Rose zu tragen,
die schon beim ersten Zeichen von Müdigkeit gegen eine frische ausgetauscht
wurde.
Nach jedem Schluck Tee begegneten sich ihre Blicke. Ottakring
merkte, dass etwas nicht stimmte. Er sah Lola fragend an.
»Ach, es ist nichts«, winkte sie spröde ab.
Er nahm ihre Hand und drehte an ihrem Ehering. Ottakring selbst ließ
seinen – wie viele seiner Kollegen von der Kripo – zu Hause, wenn er
zum Dienst ging. Sie wollten ihren Familienstand nicht offen zeigen, außerdem
konnte es tödliche Folgen haben, sich mit einem Ring im Abzug seiner Waffe zu
verhaken.
»Es gibt immer häufiger Nächte, in denen ich aufwache und nicht
schlafen kann«, gab sie mit Sorge in der Stimme zu. »Du merkst es nur nicht,
weil du schlummerst wie ein
Weitere Kostenlose Bücher