Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
was schlimmer wäre, ob er Ihnen den nächsten Auftrag gibt.
Was wäre wohl, wenn rund um Ihre Firma noch schlimmere Dinge geschähen? Das wollen wir doch beide vermeiden. Es liegt ganz an Ihnen.
Hochachtungsvoll
Aceraceae AG , Amanda Raggenbass
Gartenbau
Nicht der Abstand bestimmt die Entfernung.
In der Enge unseres heimatlichen Gartens
kann es mehr Verborgenes geben
als hinter der Chinesischen Mauer.
Antoine de Saint-Exupéry
Adelina war kaum zu bremsen. Sie habe immer geahnt, dass Spross noch mal ins Spiel kommen würde, jubelte sie. Wir hätten bloss zu kurz gedacht, als wir Spross als mögliche Täterschaft ausgeschlossen hätten. Jetzt gäbe es klare Hinweise darauf, dass das Unternehmen zu den Opfern gehöre, und dem müssten wir unbedingt nachgehen.
Ich musste ihre Begeisterung etwas dämpfen. Bisher hätten wir nur vage Hinweise auf eine mögliche Bedrohung von Spross, gab ich zu bedenken, und keine Ahnung von deren Inhalt oder Absender. Und schon gar nicht wüssten wir, ob das irgendwas mit der Ermordung von Graziella Rosengarten zu tun habe. Die alleinige Tatsache, dass diese mit Spross zusammengearbeitet hat, sei nicht tragfähig genug, um einen Zusammenhang zu konstruieren.
Das möge ja alles stimmen, entgegnete Adelina, die Spur sei alles andere als heiss, höchstens lauwarm. Doch da wir ansonsten gar keine Spuren hätten, oder höchstens kalte, sei es am klügsten, der warmen zu folgen. Oder ob ich lieber untätig herumsitzen wolle?
Ich beugte mich ihrer unwiderstehlichen weiblichen Logik. Nachdem klar war, dass wir uns mit Spross beschäftigen würden, ging es darum, wie wir das am besten anstellen sollten. Ich schlug der Einfachheit halber vor, die im Tagebuch erwähnte Frau Spross direkt mit dem einschlägigen Eintrag zu konfrontieren.
Adelina schalt mich einen alten Narren. Diese Frau Spross habe nicht mal ihrer angeblichen Freundin erzählt, warum sie verängstigt sei. Wie sollte sie da gegenüber zwei dahergelaufenen Privatschnüfflern, die auf zweifelhaftem Weg zum Tagebuch ihrer Partnerin gekommen waren, mehr Offenheit an den Tag legen? Das leuchtete mir ein, und ich nahm mir die Freiheit, meinen Vorschlag zurückzuziehen. Ob sie eine bessere Idee habe?
Die Sache sei sonnenklar, sagte Adelina. Im Tagebucheintrag berichtete Graziella Rosengarten, Frau Spross sei beim Lesen eines Mails erbleicht. Somit gebe es nur eines: an ihre Mails heranzukommen.
Jetzt erbleichte ich. Mir war klar, was dieser Plan bedeutete. Auf sauberen und legalen Pfaden war er nicht zu verwirklichen. Ich hielt Adelina vor, sie hätte mir doch versprochen, keine Hacker-Einbrüche in fremde Computersysteme mehr zu machen. Das hätte sie auch nicht vor, antwortete sie mit einem Lächeln, das meine Einwände schon halb dahinschmelzen liess, aber man könne ein paar alte Freunde um Hilfe bitten, die weniger Skrupel und mehr Kenntnisse hätten als sie. Wenn man einen Blick durch eine von anderen geöffnete Tür werfe, sei das nicht verwerflich, oder?
Ich schluckte die Bemerkung runter, auch Anstiftung zu einer Straftat sei strafbar. Sie hätte mir vermutlich entgegnet, sie würde niemanden anstiften, sondern höchstens einladen, und gegen solche sophistischen Argumentationen hätte ich keinen Stich gehabt. Ich kannte Adelina nun schon eine ganze Weile und wusste deshalb, was das Glitzern in ihren Augen bedeutete. Sie war nicht mehr zu bremsen.
Ich fügte mich in das Unvermeidliche, gab ihr brummend meinen Segen und liess sie machen. Sie sandte ihre Botschaft an ihren alten Hacker-Freundeskreis und hatte bald einige Zusagen, man würde sich darum kümmern. Da auch Hacker nicht hexen können, wie Adelina erklärte, würde es sicher zwei, drei Stunden dauern, bis wir mit ersten Erfolgsmeldungen rechnen könnten.
Diese Wartezeit nutzten wir, um uns im Internet einen vertieften Eindruck von der Firma Spross zu verschaffen. Das Bild, das sich dabei entwickelte, war faszinierend und anziehend. Was sicher auch mit dem zusammenhängt, was das Unternehmen herstellt. Spross war und ist in erster Linie eine Gartenbaufirma, und will das auch bleiben.
Wir fanden bald heraus, dass die Realität etwas komplexer ist. In Wirklichkeit ist die Firma Spross eine Holding mit drei Unternehmensbereichen: Garten- und Landschaftsbau, Entsorgung und Immobilien. Selbst uns wirtschaftlichen Laien war klar, dass die Ertragsaussichten in diesen Bereichen ziemlich unterschiedlich sind. In der Tat hat der legendäre frühere Firmenpatron
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