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Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman

Titel: Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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am Mount Cook, welche Ironie des Schicksals, trauerte ich weniger um den Ehemann und mehr um den Geschäftspartner. Ich war jedoch mittlerweile bereit, die geerbte Firma allein weiterzuführen. Das habe ich getan. Erfolgreich, wie ich meine. Ich habe den Wert der Firma und den meines Vermögens innerhalb weniger Jahre ungefähr verzehnfacht.
    Warum ich nicht einfach weitergemacht habe und in Neuseeland geblieben bin? Nun, ich habe erfahren, dass das, was ich über die Unmöglichkeit erzählt habe, einen Teil seiner Persönlichkeit dauerhaft zu verdrängen, auch umgekehrt gilt. Jahrelang konnte ich die leise Stimme meines schlechten Gewissens erfolgreich beiseiteschieben. Diese Stimme, die den guten und edlen Teil von mir verkörperte, meldete sich eines Tages mit Macht zurück. Und liess sich nicht mehr zum Verstummen bringen.
    Mir wurde klar, was ich getan hatte. Ich hatte mitgeholfen, staatliche Gemeinschaften um ihnen eigentlich zustehende Gelder zu betrügen. Gelder, die deshalb nicht für Strassen und Polizisten, für Krankenhäuser und Schulen ausgegeben werden konnten. Meine gute Seite konnte das, was ich bisher immer hinter nebulösen Ausführungen über den so wichtigen Schutz der finanziellen Privatsphäre versteckt hatte, brutal einfach formulieren.
    Mein Erschrecken über mich selbst war gross. Entsprechend stark war mein Bedürfnis nach Wiedergutmachung für meine Sünden. So wurde ich zur Wohltäterin.
    Ich habe die Stiftung gegründet, auf die Sie sicher schon gestossen sind. In Neuseeland gab es mir letztlich doch zu viele Schafe. Deshalb bin ich nach Europa zurückgegangen. Nach England oder Deutschland wollte ich nicht, da wäre mir meine Schwester zu nahe gewesen. Dass man in der Schweiz als reicher Mensch sehr bequem und vor allem auch sehr diskret leben kann, wusste ich von meinem verstorbenen Mann. Und als angeheiratete Frau eines Schweizers hatte ich keine Probleme, mir die benötigten Papiere zu beschaffen.
    Was wollen Sie wissen? Ob ich keine Angst mehr vor meinem inneren Dämon gehabt habe? Nein. Als ich mich in Zürich niederliess, war ich fest davon überzeugt, ihn im Griff zu haben, auch wenn das Objekt meiner Rachsucht jetzt wieder näher war. Der Wunsch, Rosenrot aus Rache umzubringen, war noch da. Aber nicht so stark, dass ich hätte fürchten müssen, von ihm überwältigt zu werden. Ich konnte ihn kontrollieren.
    Sie sind neugierig, was mit meinem rasch schwindenden Vermögen los sei? Gut, wenn ich schon alles gestehe, kann ich auch das. Kennen Sie den guten Menschen von Sezuan von Bert Brecht? Ja? Das ist auch mein Geheimnis.
    Eine Zeit lang habe ich mein Geld tatsächlich mit vollen Händen für wohltätige Zwecke ausgegeben, ohne mich um Nachschub zu kümmern. So sehr wollte ich wiedergutmachen, was ich angerichtet hatte, so stark war mein schlechtes Gewissen.
    Immerhin war ich Geschäftsfrau genug, um eines Tages zu realisieren, dass es so nicht weitergehen konnte. Meine wohltätigen Ausgaben wollte ich nicht reduzieren. Zu sehr machte mir diese Tätigkeit Spass und brachte Sinn in mein Leben. Also mussten neue Einnahmen her. Und zwar so beträchtliche, wie sie in meinem angestammten Beruf ausser Reichweite lagen.
    Was blieb mir also anderes übrig, als so Geld zu machen, wie ich es schon lange erfolgreich getan hatte, mit mehr oder weniger anrüchigen Geschäften? So machte ich es wie Shen Te, der gute Mensch von Sezuan. Um meine Wohltätigkeit finanzieren zu können, verwandelte ich mich von Zeit zu Zeit zurück in die skrupellose Finanzjongleurin, die ich einmal gewesen war.
    Dieser Wechsel fiel mir leichter, als ich befürchtet hatte. Ich hatte offenbar ausreichend gelernt, mit einer gespaltenen Persönlichkeit zu leben. Müssen wir das in diesen Zeiten nicht alle?
    Sie nicken. Ich jedenfalls konnte es. Die Sache hatte nur einen Haken. Den habe ich allerdings erst entdeckt, als es schon zu spät war. Davor war mir nicht aufgefallen, dass es zwischen meinen beiden Teilpersönlichkeiten der guten Wohltäterin und der bösen Ausbeuterin eine unheilvolle Symmetrie gibt. Man könnte sagen, sie haben sich gegenseitig hochgeschaukelt.
    Je hemmungsloser ich meinen Drang auslebte, Gutes zu tun, desto hemmungsloser wurde ich auch in meinen Geschäften. Je mehr ich etwas wollte, desto stärker wurden mir die dafür einzusetzenden Mittel egal. Am Rande der Legalität hatte ich mich immer schon bewegt, doch darüber hinausgegangen war ich früher nicht. Zunehmend war mir jetzt der

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