Rosenrot ist mausetot - Kriminalroman
Gartenbaukunst nie offenbart. Dieses Geständnis brachte uns dazu, mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis zu nehmen, dass man auch in einer Liebesbeziehung immer unendlich viel über den anderen nicht weiss.
Adelina hätte gerne noch etwas mehr über die Gartenthemen gehört, über die ich damals mit Rosenrot gesprochen hatte, doch dafür fühlte ich mich nicht mehr fit genug. Ich wollte nur noch schlafen. Und Adelinas tröstende Nähe spüren. Ein paar Bilder von Blut und Tod zogen durch mein Bewusstsein. Dann war ich weg.
Als ich am späten Vormittag halbwegs erfrischt aufwachte, war Adelina wie angekündigt weg. Sie hatte einen geschäftlichen Termin, den sie nicht verschieben konnte, wollte aber am frühen Nachmittag zurück sein und hatte mich gebeten, auf sie zu warten. Was ich liebend gerne tat. Ich hatte nichts Dringendes vor, wollte nicht allein sein und freute mich darauf, mit Adelina den neuen Fall zu besprechen. Ohne sie hätte ich ja keinen meiner früheren lösen können.
Ich kannte Adelinas Wohnung bestens, schliesslich hatte ich in letzter Zeit öfters bei ihr übernachtet. Nur sehr selten allerdings war ich allein dort gewesen und merkte jetzt, dass das einen anderen Blick in ihre Räume ermöglichte. Ihr Schlafzimmer war in warmen Gelbtönen gehalten und wirkte wegen einiger sparsam, aber gekonnt angebrachter Details wie Vorhänge, Kissen und Nippes ausgesprochen feminin.
Gelbtöne liebte Adelina auch bei ihren Kleidern, wie mir der Blick in ihren offenen Schrank bestätigte. Ein paar andere kräftige Farben waren ebenfalls vertreten, dagegen wenig Grau und Schwarz. Zwei oder drei Businesskostüme hingen da, ansonsten liebte sie es lässig und bequem. Ich riss mich von der Betrachtung ihrer Kleidersammlung los, weil mich das nur auf unkeusche Gedanken brachte, und ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen.
Die Küche war eher spartanisch eingerichtet. Adelina hatte kein Faible für aufwendige Kochereien, auch wenn sie einige einfachere Gerichte sehr wohl beherrschte. Vor allem liebte sie frische Kräuter, wie eine ganze Reihe liebevoll gestalteter und gepflegter Töpfe auf der Fensterbank zeigte. Wäre ich weniger blinden Auges gewesen, hätte mich dieser Umstand längst darauf bringen können, Adelina interessiere sich für die Pflanzenzucht.
Das Wohnzimmer, das ich jetzt mit dem Kaffee in der Hand durchquerte, war ebenfalls spartanisch, fast Zen-mässig, eingerichtet. Ein Sofa, ein Sessel und der Flachbildschirm des Fernsehers bildeten die einzige Einrichtung, an den weissen Wänden hing kein einziges Bild. Das Büro dagegen, das ich jetzt betrat, um an ihrem Computer meine Mails zu checken, hätte auch dasjenige eines männlichen Computerfreaks sein können. Diverse technische Geräte, deren Funktion ich höchstens ahnte, standen und lagen chaotisch herum. Manche von ihnen blinkten, andere brummten, und dazwischen waren unordentliche Papierhäufchen platziert, wo immer sich eine Lücke gefunden hatte.
In meiner Mailbox fand sich, angesichts der hochsommerlichen Flaute nicht überraschend, nichts von Bedeutung oder Dringlichkeit. So hatte ich Zeit, noch etwas über diese Wohnung zu sinnieren, die so schön Adelinas unterschiedliche Facetten spiegelte. Dieses Büro war ein Abbild ihrer computertechnischen Talente und Fähigkeiten, die sie zu einer erfolgreichen Spezialistin für IT -Sicherheit gemacht hatten. Das Wohnzimmer war Ausdruck ihrer kühl-analytischen Seite, die zum Kontemplativen neigte. Im Schlafzimmer dagegen lebte sie voll ihre Weiblichkeit aus.
In einem für Adelinas Verhältnisse kostbaren Silberrahmen an der Wand hinter ihrem Hauptcomputer hing ein Bild, das sie zusammen mit ihrer Tante im Kreuzgang jenes polnischen Klosters zeigte, in das sie sich damals kurz vor Abschluss unseres ersten Falls zurückgezogen hatte, um zu sich zu finden. Sie war schon als Kind in die Schweiz gekommen, hatte aber ihre Herkunft aus Polen nie vergessen. Und auch nicht das Katholische, wie ich von unserem dritten Fall wusste, als sie der armen Gletscherleiche Appi mit einem Kreuzamulett geistlichen Trost spendete.
Wieder einmal betrachtete ich Adelina auf diesem Bild genauer. Sie war etwas jünger als jetzt, da sie auf die Mitte dreissig zuging, hatte sich aber seither kaum verändert. Ihre mittelgrosse Gestalt war weiblicher und runder, als es das herrschende Schönheitsideal verlangt, ohne jedoch im Geringsten pummelig zu wirken. Schulterlange dunkle Haare
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