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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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Fahnenmast heraus und verkündete meinen beschämenden Zustand mit Always-Schriftzügen in Hellrosa.
    Natürlich guckte Charlotte genau dorthin. Rasch legte ich meine Jeans darüber und tat, als hätte ich nichts bemerkt.
    »Ich bin müde«, behauptete ich.
    Charlotte guckte mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Jetzt kapier ich’s.«
    »Was?«
    Sie stieg aus dem Bett und ging zu ihrem Wandschrank. Es wunderte mich kaum, dass sie direkt zu ihren schwarzen Büchern lief. Im Grunde tat sie mir sogar ein bisschen leid. Es wurde allmählich fast schon lächerlich, dass sie bei jeder Gelegenheit diese Time-Life-Bücher hervorholte. Egal, worum es ging, immer fiel ihr irgendetwas ein, das sie in den Büchern gelesen hatte – ungefähr so, wie Toby Deans Leben mehr und mehr mit Police Academy verschwamm; er zitierte die Filme dauernd.
    Ich rollte meinen Schlafsack aus und schlüpfte hinein. Vielleicht konnte ich einschlafen, bevor Charlotte das gefunden hatte, was sie suchte, und meine peinliche Regel zum Gesprächsthema wurde. Wir beide redeten nie über solche Sachen, und ich wollte bestimmt nicht jetzt damit anfangen.
    Schließlich aber fand sie die Ausgabe, die sie gesucht hatte, und setzte sich damit neben meinem Schlafsack auf den Teppich. Sie blätterte über Fotos von Uri Geller, verbogenen Löffeln, umgekippten Bücherregalen und einem halb verkohlten Teddy hinweg.
    »Siehst du das Mädchen hier?«, fragte sie.
    Ich warf einen Blick auf die Seite, die sie aufgeschlagen hatte. Dort saß ein größeres Mädchen in einer zerschlissenen Jeans auf einem Liegesessel. Hinter dem Sessel sah man eine dunkle, holzgetäfelte Wand. Das Mädchen guckte erschrocken, und über ihrem Schoß flog ein Telefonhörer.
    »Und?«
    »Sie hatte einen Poltergeist. Mit vierzehn.«
    »Das sieht unecht aus«, fand ich und drehte mich von Charlotte weg.
    »Dann erklär mir mal, wie das nicht echt sein kann!«
    Doch ich beachtete Charlotte gar nicht und hörte, wie sie weiterblätterte.
    »Psychokinetische Phänomene«, erklärte Charlotte. »So was passiert vielen Mädchen am Anfang der Pubertät.«
    Ich wusste nicht, ob sie das vorlas oder nur nachplapperte, was sie aus diversen Texten hatte. Jedenfalls verstand ich nicht, was sie da sagte. Aber ich fühlte, wie mir vor Scham die Tränen kamen, weil sie das Wort »Pubertät« ausgesprochen hatte.
    »Willst du mir irgendetwas erzählen?«, fragte Charlotte.
    »Nein!« Eine Träne kullerte von meiner Nase auf das Kissen.
    »Hast du mal Carrie gesehen?«
    »Nein«, schniefte ich.
    Aber ich wusste, wovon sie sprach. In der Videothek hatte ich die Kassette gesehen. Auf dem Cover war dieses dünne Mädchen mit den großen Augen, voller Blut und von Feuer umgeben. Der Film war sicher noch schlimmer als Der weiße Hai , und ich hoffte, Charlotte würde mich nie zwingen, ihn anzusehen.
    »Sind bei dir zu Hause mal komische Sachen passiert, Nora? Haben die Lampen geflackert, oder sind Sachen runtergefallen, ohne dass sie jemand umgestoßen hat?«
    »Nein«, antwortete ich und wischte mir die Augen ab, bevor ich mich wieder aufsetzte. »Nein, ich habe keinen Poltergeist! Und jetzt hör auf damit.«
    »Aber du hast telepathische Kräfte.«
    Ich war viel zu verlegen, um ihr zu widersprechen. »Das ist nicht dasselbe.«
    »Doch, all diese Dinge hängen zusammen. Menschen mit telepathischen Kräften haben oft auch telekinetische, und wenn sie Glück haben, können sie sogar hellsehen.«
    »Das sind doch bloß lauter toll klingende Wörter, Charlotte.«
    »Ich sage ja nur, dass all das zusammenhängt.«
    »Also habe ich vielleicht bald einen Poltergeist?«
    »Nein. Weiß ich nicht. Aber jetzt verstehe ich auch, wieso du so viel besser gewesen bist als ich. Bei den Zenerkarten, meine ich.«
    Ich starrte Charlotte an. Auf einmal war ich so unglaublich wütend auf sie wie noch nie. Das war eine andere Wut, nicht wie die in der dritten Klasse, als wir uns darüber gezankt hatten, wer beim Weitspucken oder beim Springen von der Schaukel geschummelt hatte – oder wer zuerst eine lila Jeans gekauft und wer es der anderen nur nachgemacht hatte. Vielmehr war ich wütend auf sie, weil sie dachte – und allen anderen einredete –, dass sie klüger war als ich, obwohl sie doch eigentlich unsagbar blöde war. Zu blöd, um zu begreifen, was so gruselig an den Filmen war, die sie gern ansah. Zu blöd, um zu erkennen, dass ich nicht über die Pubertät reden wollte.
    »Du entwickelst dich«, stellte Charlotte

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