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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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gute Viertelstunde über ihren Sohn Max. Er hockte auf ihrem Schoß, wo er abwechselnd auf einer Gummischildkröte herumkaute und auf sie einbrabbelte. Ich befragte Sally zu Themen wie Zahnen, Krabbeln und Durchschlafen – all die grundsätzlichen Dinge, die mir zu Babys einfielen. Das Problem kannte ich schon von Gesprächen mit Freundinnen, die bereits Kinder hatten: Ich wusste nie, wie viel oder wie lange wir über das Baby reden mussten. Also quasselte ich immer weiter über das Kind, um nicht für eine unsensible kinderlose Frau gehalten zu werden – nur hatte ich leider einige Mühe, bei den Antworten aufmerksam hinzuhören.
    Sally und ich hatten eigentlich nichts anderes, worüber wir uns hätten unterhalten können. Das wurde mir mit jeder Kleinkindfrage, die ich stellte und sie beantwortete, klarer. Ich beobachtete ihre Antworten eher, als dass ich sie mir anhörte. Sallys Gesicht war ein wenig rundlicher, und sie hatte einen moderneren, kantigeren Haarschnitt als früher. Irgendwie wirkte sie vollkommen entspannt, wie sie mit ihrem Baby so dasaß; in den ersten zwanzig Minuten lächelte sie häufiger als in der gesamten Highschoolzeit. Diese Person kannte ich nicht mehr – oder vielmehr: Ich hatte sie nie wirklich gekannt.
    Erst nachdem sie Max auf der Damentoilette gestillt hatte,begannen wir, ein bisschen über Rose zu plaudern. Sally sprach das Thema an, was mich nicht weiter wunderte. Wahrscheinlich war der Leichenfund das Aufregendste, was Waverly in den letzten Jahren erlebt hatte. Sally behauptete, dass sie so gut wie nichts über Rose wisse, und war verblüfft, dass Rose Charlottes und meine Babysitterin gewesen war.
    »Ehrlich?«, fragte sie erstaunt.
    Ich verriet ihr, wie sehr wir uns als Kinder für Rose’ Leben interessiert und wie wir sie ständig nach ihren Freunden ausgefragt hatten.
    »Und da haben wir uns gefragt«, tastete ich mich vorsichtig heran, »ob dein Bruder und Rose jemals miteinander ausgegangen sind oder so.«
    Sally schluckte mühsam ihren Caramel-Latte herunter.
    »Rose Banks und mein Bruder? Machst du Witze? Wie kommt ihr denn auf die Idee?«
    »Ach, na ja, sie ...« Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet. »Also, sie ... ähm ... hat damals so eine Andeutung gemacht, dass es da einen anderen gab. Nachdem sie mit ihrem ersten Freund Schluss gemacht hatte, sagte sie ein paar Sachen, aus denen man hätte schließen können, dass ...«
    »Auf keinen Fall«, unterbrach Sally mich.
    »Was macht dich so sicher?«, fragte ich, froh, dass sie mich von dem Erklärungsversuch erlöst hatte.
    »Sie war ein hübsches, ziemlich beliebtes Mädchen, stimmt’s? Das habe ich zumindest gehört.«
    »Ja, soweit ich weiß, stimmt das.«
    Sally verzog keine Miene, neigte aber den Kopf ein wenig zur Seite. »Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst, aber aus meiner Familie war damals niemand beliebt. Ein Mädchen wie Rose wäre niemals mit meinem Bruder gegangen.«
    »Ach, das würde ich nicht sagen ...« Ich fühlte mich verpflichtet, ihr zu widersprechen. Außerdem hatte sich inzwischen herausgestellt, dass Rose weit weniger berechenbar gewesen war, als ich früher gedacht hatte.
    »Tja, also ich weiß es«, bekräftigte Sally noch einmal das Gesagte. »Ich glaube nicht, dass sie je befreundet waren. Nicht, dass er es mir erzählt hätte, aber noch nicht einmal ihr Name ist gefallen. Ich glaube, vor ihrem Verschwinden hatte ich überhaupt noch nie von ihr gehört.«
    »Kanntest du denn all seine Freunde und Freundinnen?«
    Sally betrachtete mich nachdenklich und kniff dabei ihren kleinen roten Mund zusammen – genauso wie früher, wenn ich die simpelsten chemischen Gleichungen nicht kapiert hatte.
    »Natürlich weißt du nicht viel über meine Familie«, erklärte sie ruhig, »aber unsere Eltern haben unsere Freizeitbeschäftigungen sehr streng überwacht. Es war unmöglich für uns, engere Freundschaften zu pflegen, ohne dass die Familie es mitbekam.«
    »Aha«, sagte ich und nickte verlegen, weil meine Frage offenbar aggressiv gewirkt hatte. »Okay.«
    Max schleuderte seine Gummischildkröte auf den Boden und quäkte. Sally verlagerte ihn auf ihr linkes Knie, um das Spielzeug aufzuheben.
    »Wie geht es denn deinen Eltern?«, fragte ich.
    Seufzend setzte Sally ihren Sohn wieder auf ihren Schoß.
    »Gut, soweit ich weiß. Ich sehe sie selten. Brian und ich sind vor Jahren aus der Kirche ausgetreten. Nur meine Schwester Laurie ist dabeigeblieben, und fast alles, was ich noch mitbekomme,

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