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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Arsenault
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deswegen. Wegen allem. Allem, was ich damals getan habe. Auf der Highschool, meine ich. Wegen allem, woran ich mich erinnere, und den vielen Sachen, die ich nicht mehr weiß.«
    Toby schüttelte den Kopf und bedachte mich mit einem seiner freundlichen, trägen Blicke.
    »Du warst nicht verrückt, du warst verkorkst. Das ist ein Unterschied.«
    Ich hatte Mühe, seinem Blick standzuhalten. Vor wenigen Minuten erst hatte er mir angeboten, bei ihm zu übernachten – auch wenn es noch so harmlos geklungen hatte –, und nun war da etwas in seiner Miene, von dem ich nicht wusste, ob ich damit umgehen konnte. Ich hatte mich schon häufiger gefragt, was passiert wäre, wenn ich mich in der Nacht des Abschlussballs entschieden hätte hierzubleiben. Wäre dann die Situation heute eine andere?
    Ich nahm meine Hand herunter.
    »Ja, ich weiß«, sagte ich. »Wie beruhigend, danke. Aber jetzt sollte ich wirklich zu Charlotte zurück.«
    Die Eile wäre nicht nötig gewesen. Als ich wieder bei Charlottes Haus ankam, war ihr Wagen fort. Sie hatte mir eine Nachricht auf dem Küchentisch hinterlassen:
    Nora, tut mir leid. Paul hat angerufen und will dringend reden. Ich treffe mich mit ihm auf einen Kaffee. Bin hoffentlich bald zurück.
    Charlotte
    Also schaltete ich den Fernseher ein und guckte mir ein paar Serienwiederholungen an. Dann rief ich Charlotte auf ihrem Handy an; sie ging nicht dran.
    Anschließend sah ich die Nachrichten und schlief auf der Couch ein. Als ich nach Mitternacht aufwachte, stand Charlottes Tasche in der Küche, ihr Auto in der Einfahrt, und in ihrem Schlafzimmer war das Licht ausgeschaltet. Wahrscheinlich hatte sie mich nicht wecken wollen.
    7. Juni 1997
    Toby und ich wurden zu keiner der vielen Partys nach dem Abschlussball eingeladen, doch das scherte uns nicht weiter. Tobys Autobastlerfreunde waren keine Balltypen, und ich hatte eigentlich gar keine Freunde mehr. Also hingen wir auf dem Spielplatz der Grundschule rum, saßen auf den Schaukeln und betranken uns mit Drinks, die wir im Ford-Pick-up seines Dads mixten: Wodka und Limonade in unschuldig anmutenden Limoflaschen, die wir rasch wegwerfen konnten,falls uns jemand erwischte. Es war meine erste Erfahrung mit Alkohol, und es war mir lieber, dass ich sie allein mit Toby machte, als mit einem Haufen Leute um mich herum, die kotzten oder bewusstlos wurden.
    Als wir vom Schaukeln genug hatten, gingen wir zurück zu dem alten Ford. Ich hatte meine Schuhe ausgezogen und genoss das Gefühl, das Gras unter meinen Füßen zu spüren, die nun nur noch in Strumpfhosen steckten. Dabei erlaubte ich mir, ganz dicht neben Toby zu gehen. Ich fand, dass ich mehr Glück hatte als die anderen Mädchen auf den Partys. Bei dem letzten langsamen Lied auf dem Ball hatte ich mich – während ich mich eng an Tobys Smokingbrust schmiegte – zu den anderen und ihren Dates umgesehen und festgestellt, dass Toby tatsächlich einer der besser aussehenden Typen dort war. Vor allem wirkte er mit seiner muskulösen Gestalt und den dunklen Zügen reifer als die meisten anderen. Folglich fühlte auch ich mich älter und weiser als die anderen Mädchen – schließlich hatte ich den blöden Schulmädchenblick überwunden und das erkannt. Und diese Erkenntnis hatte für mich etwas Befreiendes. Mir stand noch ein Monat an der Waverly High bevor, aber schon jetzt war ich frei. Ein Gefühl, das durch den Wodka noch verstärkt wurde.
    Als wir zu ihm nach Hause fuhren, versicherte Toby mir, dass sein Dad – war er am Samstagabend erst mal eingeschlafen – durch nichts wieder zu wecken war. Doch unser nächtliches Zusammentreffen mit Joe dämpfte meinen angenehmen Dusel und machte mich verlegen. Unsicher trottete ich hinter Toby her die Treppe hinauf und in sein Zimmer. Aber als wir auf dem Bett saßen und hörten, wie Joes Wagen wegfuhr, kehrte das Gefühl langsam zurück. Ich mochte Toby.Und es kümmerte mich nicht mehr, was sonst irgendjemand dachte. Das war das Beste von allem.
    »Willst du mich küssen?«, fragte ich ihn. Ich ließ meinen Schwips sagen, was er wollte.
    »Es ist leichter, wenn du nicht fragst«, gestand Toby.
    »Aha. Verstehe.« Ich lachte. »Aber ich weiß nicht, ob ich es dir leichter machen will.«
    Er neigte seinen Kopf und berührte meine Lippen mit seinen. Für einen Moment wich ich zurück, weil es mich erschreckte, wie feucht sich seine Lippen anfühlten – und wie wurmähnlich seine Zungenspitze.
    »Ist schon okay«, versicherte er schnell, seinerseits

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