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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Winkel auf der anderen Seite des Bettes. Als kröche jemand am Boden.
    Eine schlecht bandagierte Hand schob sich rot-weiß über die Bettkante hoch. Die Rache der Mumie.
    Das Gesicht, das folgte, war leichenblass. Er erkannte es nicht. Einen Moment hatte er es im Visier, sein Gehirn stand still. Dann sah er, wer es war. Sah durch die Todesmaske hindurch.
    Er steckte die Waffe ins Schulterhalfter und ging zu ihr. Er ging auf die Knie und umarmte sie. Sie reagierte nicht.
    Obwohl sie kein Wort sagte, hörte er die ganze Zeit ihre Stimme, wieder und wieder, wie ein Mantra: ›Wenn es passiert, dann lass mich nicht im Stich.‹
    Und er war zu spät gekommen. Er hätte es früher verstehen müssen.
    Der Mann, der Dag Lundmark während seiner ganzen langen Zeit als Alkoholabhängiger geholfen hatte, hatte das auch weiterhin getan. Es war gar nicht weit hergeholt. Aber Paul Hjelms Denken war schwerfälliger gewesen als gewöhnlich.
    Und er hatte sie im Stich gelassen.
    Er sah in ihre Augen. Etwas darin war gebrochen. Es schüttelte ihn. War sie verloren?
    »Kerstin«, rief er. »Antworte mir.«
    Kein Wort, kein Laut. Sie war schlapp wie ein weggeworfener Handschuh.
    Er sah wieder in ihre Augen. Tief. Und es war, als verbände der Blick ihre Körper. Als wäre er wie eine Nabelschnur zwischen ihnen. Und er meinte zu sehen, wie das Gebrochene langsam, ganz langsam heil wurde. Der Film eines fallenden Hauses, rückwärts gespielt. In Zeitlupe.
    Und sie war wieder zu Hause.
    Nicht ganz, aber es reichte.
    Sie hob die Hand. Darin steckte ein Zettel. »Diese Scheißrätsel«, sagte Kerstin Holm mit breitem Göteborger Akzent.
    Er nahm sie wieder in den Arm. Sie erwiderte seine Umarmung, schwach, ganz schwach.
    »Ich habe dich im Stich gelassen«, sagte er.
    »Ich habe mich im Stich gelassen«, sagte sie. »Ich bin zu spät gekommen.«
    Hjelm sah sich in der Hütte um. »Sieh dir die Spielsachen an«, sagte er. »Man kauft nicht soviel Spielzeug, wenn man ein Kind ermorden will.«
    Sie fixierte ihn. Er meinte, die Farbe in ihr Gesicht zurückkehren zu sehen, doch vermutlich war es Einbildung.
    »Du weißt es also?« fragte sie.
    »Wir finden die beiden«, sagte er. »Er will, dass wir sie finden.«
    »Hier steht es«, sagte sie und hielt ihm den Zettel hin. »Er kennt seine Bibel. Sein Vater war Pastor.«
    Hjelm nahm den Zettel. »Wo war der?« fragte er.
    »In Vickes Hand«, sagte sie.
    »Vicke, ja« sagte er. »Er ist noch nicht lange tot. Lundmark kann ihn nicht vor den Augen seines Sohns getötet haben. Er hat ihn zwei Wochen lang verwöhnt. Und dem Foto nach zu urteilen hatte der Junge nichts dagegen.«
    »Ich habe das Bild ins Klo gespült«, sagte Kerstin Holm.
    »Es war nicht genug«, sagte Paul Hjelm. »Es ist nicht einfach, Fotos runterzuspülen.«
    »Er heißt Anders«, sagte sie.
    »Ich weiß«, sagte er.
    Er las den Zettel. Auf der einen Seite stand: ›Oreb, Seeb, Abner, Gilboa‹. Auf der anderen Seite stand: ›Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch gewiesen, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?‹ Und: ›Es ist nicht recht, dass du sie habest.‹ Das war alles.
    Paul Hjelm seufzte. »Diese Scheißrätsel«, sagte er.
    »Wie gesagt«, gab sie zurück.
    Und lächelte schief.

39

    Hjelm und Holm fuhren auf dem Rückweg im Krankenhaus Danderyd vorbei. Die Ärzte stellten fest, dass Kerstin erschöpft und stark unterkühlt war und dass sie Schnittwunden an der rechten Hand hatte. Der schlechtsitzende Verband hatte die Sache nicht besser gemacht. Aber im großen und ganzen war sie heil. Äußerlich.
    Sie war nicht zu bewegen, zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren.
    Ein merkwürdiger Arbeitstag nahm seinen Anfang. Er bestand aus unterschiedlichen Momenten, die alle gleich öde waren.
    Streifenwagen wurden an alle Stellen geschickt, die auch nur das geringste mit Dag Lundmark zu tun hatten. Sie durchsuchten das Ristorante Ravanelli in Haga in Göteborg, das Hotel Siebenstern in Huddinge, Winston Modisanes Wohnung am Diagnosväg in Flemingsberg, Ola Ragnarssons Wohnung in der Wollmar Yxkullsgata auf Södermalm, Bo Eks Haus in Nacka Strand, Carl-Ivar Skarlanders Haus in Lidingö, Dazimus Pharma AB auf der gleichen Insel, die Firma Reines Haus in Huvudsta, Rudhagens Klinik in Mälardalen, Nilssons Lackierwerkstatt im Gewerbegebiet Ulvsunda, den Hof der Familie Sjöberg bei Anderslöv, die Firma Bonde-jouren AB bei Trelleborg, den Hof der Lindbloms bei Anderslöv, Mervat Elmagarmids Wohnung in Hallonbergen,

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