Rosenrot
Sieht man, dass ich schwanger bin?
ngugi ogot : Deutlich. Es ist mehr ein Glanz in den Augen als ein runder Bauch. Wenn man mal von diesen Kartoffelschalen absieht.
sara svenhagen: Haben Sie selbst Kinder?
ngugi ogot : Fünf Stück. Das Jüngste habe ich noch nie gesehen. Den Ältesten viermal. Er ist achtzehn. Viermal in achtzehn Jahren Besuch von der Familie. Jedes mal wurde meine Frau schwanger. Wir konnten in einem Abstellraum miteinander schlafen. Im Beisein der Kinder. Schließlich bin ich geflohen. Es war eine raffinierte Flucht. Ich habe sie über Jahre hin geplant. Zu meiner Familie konnte ich nicht zurückkehren, ich habe sofort das Land verlassen. Ich kam hierher. Und wie es dann ging, wissen wir.
sara svenhagen: Warum durften Sie nicht in Schweden bleiben?
ngugi ogot : Mein Gefängnisbesuch in Kenia hatte nichts Heldenhaftes. Drogenvergehen. Lebenslänglich. Das gibt einem kaum einen Flüchtlingsstatus. Ich habe es mit einer falschen Identität versucht, als ich nach Schweden kam, aber sie taten alles, um mich aufzuspüren. Ein wegen Drogenvergehen verurteilter Schwarzer ist wohl in keinem europäischen Land der Traumflüchtling. Ich bin kein Intellektueller wie die anderen. Ich bin ein gewöhnlicher Krimineller, der nicht länger gefoltert werden wollte. Immerhin war es eine Pause. Jetzt heißt es: Folter bis ans Lebensende. Ich weiß nicht, ob ich das aushalte.
sara svenhagen: Im Unterschied zu den anderen haben Sie nicht gearbeitet?
ngugi ogot : (Pause.) Ich habe keine Lust, noch mehr zu sagen. Mir reicht es. Warum sollten Sie, die mich verhört, besser sein als der, der Winston erschossen hat? Sie verwischen nur die Spuren eines Mörders. Ich war ein gewalttätiger Mensch. Es wäre besser gewesen, sie hätten mich erschossen. Winston Modisane war der friedlichste Mensch, der mir jemals begegnet ist. Er hat mich dazu gebracht, an ein Leben
ohne Verbrechen, ohne Gewalt und ohne Drogen zu glauben. Er hat mich dazu gebracht, zum ersten Mal nach all den verfluchten Jahren Lebenslust zu empfinden. Und es ist so verdammt klar, dass sie ausgerechnet ihn erschießen. Winston. Den freundlichsten Menschen auf der Welt. Und jetzt, wo sie ihn erschossen haben, schieben sie uns andere ab. Das macht mich wahnsinnig.
sara svenhagen: (Pause.) Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
ngugi ogot : Nein. Das verstehe ich.
kerstin holm: Was ist das für ein Gefühl, als einzige Frau bei einem solchen Einsatz dabei zusein?
britt-marie rudberg : Ich verweise auf mein Recht zu ...
kerstin holm: Ich bitte dich. Nicht schon wieder. Ich muss versuchen, mir ein Bild zu machen von dem, was wirklich da drinnen geschehen ist.
britt-marie rudberg : Aber nicht auf meine Kosten. Ich verweise auf mein Recht zu schweigen, bis ein Rechtsbeistand anwesend ist.
kerstin holm: Du hast keine Angst, dass dieser Satz den Eindruck macht, ihr hättet euch abgesprochen?
britt-marie rudberg : Wie kann eine Frau für die Internabteilung arbeiten?
kerstin holm: Das ist vorübergehend. Wie kann eine Frau an der fahrlässigen Tötung eines unbewaffneten Flüchtlings beteiligt sein? So etwas ist nicht vorübergehend. So etwas hängt einem ein Leben lang an. So etwas zerstört einem das Leben.
britt-marie rudberg : Ich verweise auf mein Recht...
kerstin holm: Nein. Schluss jetzt. Du weißt genau, was oben auf dem Dach passiert ist. Hör auf mit dem Unsinn.
britt-marie rudberg : Ich habe niemanden ermordet.
kerstin holm: Aber du verschweigst eine Menge Dinge, die du besser erzählen solltest. Nicht wahr?
britt-marie rudberg : Ich weiß nicht, wovon du redest.
Kerstin holm: Ich will mir ein Bild von den Vorbereitungen vor dem Einsatz machen. Wie sahen die aus?
britt-marie rudberg : Ich weiß nicht, soll ich ...
kerstin holm: Ja, du sollst. Und zwar von Anfang an.
britt-marie rudberg : Es ging ein Tipp auf der Wache in Flemingsberg ein, so gegen zwei Uhr. Der Tipp kam von der Migrationsbehörde. Das hatten wir in der letzten Zeit ja häufiger. Untergetauchte Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, werden von ihren Sachbearbeitern angegeben.
kerstin holm: Ich brauche einen Namen.
britt-marie rudberg : Ich weiß keinen Namen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt nichts mit der Sache zu tun. Zuerst ging es an Dagge und Bosse. Die haben dann uns dazugeholt, Steffe und mich. Sie fürchteten, es könnte Krawall geben. Fünf Afrikaner, möglicherweise in Drogen- und Waffengeschichten verwickelt.
kerstin holm: Wem zufolge?
britt-marie rudberg :
Weitere Kostenlose Bücher