Rosenrot
seit er nach der Suspendierung zurückgekommen ist?
bo ek: Ja. Der Chef bildet gern Teams aus Alten und Jungen. Wir waren gerade ein ziemlich gutes Team geworden, als das hier passierte. Scheiße. Als hätte er nicht schon so genug.
paul hjelm: Woran denkst du dabei?
bo ek: An sein Alkoholproblem natürlich. Nur dazusitzen und zuzusehen, wenn wir anderen ein Bierchen kippen.
paul hjelm: Hat er in den letzten Tagen verändert gewirkt?
bo ek: Was? Nein. Das war verdammt noch mal nichts, was er geplant hatte, von einem Drogenverrückten beschossen zu werden. Er war wie immer.
paul hjelm: Seid ihr den ganzen Tag zusammen gewesen?
bo ek: Ja. Nein, er war am Nachmittag kurz beim Zahnarzt. Von drei bis Viertel vor vier.
paul hjelm: Und der Einsatz kam um Viertel nach vier?
bo ek: Ja.
paul hjelm: Beschreibe genau, was passierte, nachdem ihr die Tür eingeschlagen hattet.
bo ek: Aber das habe ich doch schon getan. Ziemlicher Tumult. Sie wussten nicht, wohin sie sollten. Einer von ihnen verdrückte sich ins Schlafzimmer. Dagge hinterher. Dann kam er wieder. Ich glaube, er kriegte einen Splitter in den Arm, als er hereintaumelte. Total bleich.
paul hjelm: Einen Splitter in den Arm?
bo ek: Von der Tür.
paul hjelm: Er kam also durchs Treppenhaus zurück?
bo ek: Diese Brandtreppe war ziemlich widerlich. Ich verstehe ihn. Ich bin danach rauf aufs Dach, um die Lage zu kontrollieren. Er muss direkt tot gewesen sein. Was für ein Trefferbild. Richtig schaurig. Ich habe es überprüft, er hatte zwei Schuss abgefeuert. Genau wie Dagge gesagt hat.
paul hjelm: Du hast gesagt, einer der Gefassten hätte laut geschrieen, als er hörte, dass Winston Modisane tot war. Wer war das?
bo ek: Was? Wie kann ich das wissen?
jorge chavez : Sie waren auf der Flucht vor Recht und Gesetz. Wenn man es so nennen kann. Wie haben Sie überlebt?
elimo wadu: Schwarzarbeit hauptsächlich. Sembene und ich haben in einem Restaurant am Stureplan Teller gewaschen. Siphiwo hat Schwarztaxi gefahren. Winston hat bei einer großen Firma geputzt. Ngugi hatte etwas beiseite gelegt, glaube ich. Er hatte auf jeden Fall keinen Job. Er hat sich um die Wohnung gekümmert.
jorge chavez : Ist das Ngugi – Ogot? Ihr Landsmann?
elimo wadu: Ja, er ist auch Kenianer. Winston und Siphiwo sind Südafrikaner. Und Sembene ist Ugander. Um es ein wenig zu vereinfachen.
jorge chavez : Kam es wegen der nationalen Unterschiede nicht zu Problemen zwischen Ihnen?
elimö wadu: Nationale Unterschiede sind für uns etwas anderes als für Sie. Kenia hat eine sehr komplizierte soziale Struktur. Es gibt an die sechzig ethnische Gruppen und – ob Sie es glauben oder nicht – fünfundfünfzig Sprachen. Der kenianische Nationalitätsgedanke lief auf den Versuch hinaus, diese verschiedenen Stämme und Gruppen zu vereinen, indem man Englisch und Suaheli zu offiziellen Sprachen machte. So sollten wir uns alle verstehen können. Und ethnische Konflikte sind uns erspart geblieben – bis vor kurzem. Der Nationsgedanke hat Völkermord vom Typ Ruanda verhindert. Aber jetzt haben wir andere Probleme.
jorge chavez : Die Sie zur Flucht getrieben haben?
elimo wadu: Die Polizei.
jorge chavez : Die Polizei?
elimo wadu: Präsident Moi zieht jetzt die Schlinge fester. Die Polizei ist sehr brutal. Wir sind eines der von amnesty am häufigsten angemahnten Länder. Ich bin Politikwissenschaftler. Ich habe an der Universität von Mombasa gearbeitet. Meine Forschung wurde verboten. Ich wurde festgenommen. Ich habe drei Jahre im Gefängnis gesessen. Sie müssen entschuldigen, wenn ich mit Polizisten meine Schwierigkeiten habe.
jorge chavez : Worüber haben Sie geforscht?
elimo wadu: (lacht.) Über die Ausbreitung der Korruption im kenianischen Rechtswesen.
jorge chavez: Und bei der Polizei, nehme ich an?
elimo wadu: Nicht zuletzt bei der Polizei. Sie haben mir meine Forschungsberichte laut vorgelesen, während sie mich folterten. (Zieht das Hemd hoch und entblößt den Bauch.)
Zählen Sie selbst. Eine Brandwunde für jede kritische Anmerkung in meinen Texten.
jorge chavez : (Nach einer längeren Pause.) Sie hören sich nach dem klassischen Flüchtling an. Wieso durften Sie nicht bleiben?
elimo wadu: Bei einer Gelegenheit, als wir in einem leeren Tanklaster Deutschland durchquerten, zwanzig Flüchtlinge in einem geleerten Benzintank, hatte ich eine falsche Identität angegeben. Ich wollte nicht in Deutschland bleiben. Ich wollte nach Schweden. Aber die deutsche Polizei hatte mir das
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