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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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seltsamerweise, was er meinte.
    Es war Nachmittag. Weitere Verhöre hatten im Verlauf des Tages mit den afrikanischen Flüchtlingen stattgefunden, und die Lage war nicht übersichtlicher geworden.
    Eine ganze Menge deutete darauf hin, dass Polizeiassistent Dag Lundmark tatsächlich Winston Modisane ermordet hatte. Und jetzt war er verschwunden. Hultin zögerte noch, die landesweite Fahndung zu veranlassen. Nichts ließ befürchten, dass Lundmark neue Verbrechen plante, und eine landesweite Fahndung nach einem Polizisten würde ohne Zweifel das Vertrauen in die Polizei auf den Nullpunkt sinken lassen.
    Gunnar Nyberg – dessen Vertrauen in das Polizeikorps, dem er selbst angehörte, eine ganze Menge zu wünschen übrig ließ – entdeckte, dass er für Hultins Zögern Verständnis hatte. Vor ein paar Jahren hätte er seinen Chef lediglich für feige gehalten. Jetzt verstand er ihn. Er meinte, einen dumpfen Kompromisslergeist zu spüren, der aus seinem Mund aufstieg.
    Die Ereignisse während des EU-Gipfels in Göteborg – die noch immer nicht vollauf klargelegt waren – hatten ihm physisches Unbehagen bereitet. Die Polizeimacht, die als Militär agiert und wohlwollenden Friedensdemonstranten seelische Schäden fürs Leben zufügt. Anderseits (und er hatte zu seinem Entsetzen bemerkt, dass er dieses ›anderseits‹ der Demokratie guthieß) hatte die Gewaltbereitschaft hier und da bei den Demonstranten drastisch zugenommen, und die Grenze zum Terrorismus war nicht immer klar auszumachen. Die reinsten Gewissen, die die Gesellschaft aufzubieten hatte, teilten naiv das Bett mit der reinsten Gewalt, und das war bedenklich. Auch für die Gesellschaft gab es eine Toleranz zum Tode; das hatte er während seiner Zeit bei der Abteilung für Kinderpornographie der Reichskriminalpolizei gesehen. Das hatte die Weimarer Republik erfahren müssen.
    Kurz gesagt: Wenn in den Medien weitere Rückschläge für die Polizei breitgetreten würden, könnte das Vertrauen der Allgemeinheit gänzlich verloren gehen, und davon würden nur undemokratische Elemente profitieren, sowohl innerhalb wie außerhalb des Polizeikorps.
    Also war es nicht ganz selbstverständlich, eine landesweite Fahndung nach Dag Lundmark auszulösen. Es war besser, ihn auf andere Art aufzuspüren. Und in Paul Hjelms Abwesenheit war Kerstin Holm allein verantwortlich für diesen Teil der Ermittlungsarbeit.
    Sie beneideten sie nicht.
    Und dabei ahnten sie nicht einmal etwas von Holms und Lundmarks gemeinsamer Vergangenheit.
    Somit konzentrierten sie sich auf die Afrikaner. Und der sich erweiternde Einblick in den wahnsinnigen Alltag dieser ziemlich normalen Menschen war anstrengend. Es bestand kein Zweifel daran, dass große Wasser sie voneinander trennten.
    »Lass uns mal versuchen, Ordnung in das Ganze zu bringen«, sagte Jorge Chavez und starrte auf den Monitor, auf dem Vernehmungsprotokolle in endlosen Reihen abrollten.
    »Was ist die Grundfrage?« meinte Nyberg. »Lass uns versuchen, es ein wenig professionell anzugehen; der Versuch kann
    ja nicht schaden. Das einzige, was wir eigentlich wissen wollen, ist – was?«
    »Warum Dag Lundmark Winston Modisane getötet hat«, sagte Chavez. »Und was wollen wir dann bei den Gesprächen mit den Afrikanern herausbekommen?«
    »Wir wollen eine Verbindung zwischen Lundmark und Modisane finden«, erklärte Nyberg. »Und das ist wohl das einzige, was wir nicht finden. Also lass uns zu den Absonderlichkeiten kommen, die wir im Vernehmungsmaterial gefunden haben. Morgen werden sie an mehr oder weniger wahnsinnige Regime ausgeliefert, wenn sie nicht einfach in Ghana abgesetzt werden. Also eilt es. Dann wird es nicht mehr so einfach sein, ihrer habhaft zu werden, und Antworten auf Identitätsanfragen aus Kenia, Uganda und Südafrika sollen dauern. Die Information seitens der Migrationsbehörde war eigentümlich wortkarg – eigentlich kaum ausreichend für einen Beschluss in der einen oder der anderen Richtung. Also müssen wir die Lücken mit unseren eigenen Eindrücken aus den Verhören auffüllen.«
    »Mit wem von den Vernommenen stimmt etwas nicht?« fragte Chavez. »Wer weicht ab?«
    Sie antworteten im Duett, wie der Chor in einer griechischen Tragödie: »Siphiwo Kani.«
    Darauf nickten sie im Duett.
    »Gut, dass wir uns einig sind«, sagte Nyberg. »Siphiwo Kani, Winston Modisanes Freund und Vertrauter, der südafrikanische Landsmann. Der Grubenarbeiter. Warum?«
    »Nicht nur, weil diese Reinigungsfirma Reiner Raub, bei der

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