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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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gegeneinander abgewogen hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Pflicht schwerer wog. Dann hatte er gehört, dass sein Anruf ein Menschenleben gekostet hatte. Und er war mit noch schwerer beladenen Schultern in die Welt hinausgefahren. Falls es so war, brauchte er ein Gewissen aus gehärtetem Stahl, um die indische Küche zu genießen.
    Auf jeden Fall war er nicht erreichbar. Er befand sich ›auf Reisen‹, und falls er ein Handy hatte, so wusste zumindest keiner seiner Kollegen davon.
    Eric Mattson hatte keinen der Fälle Modisane, Okolle, Wadu, Ogot oder Kani bearbeitet. Aber er hatte eine zentrale Position. Er konnte natürlich auf den Gängen dies und jenes aufgeschnappt und beschlossen haben, zu handeln. Das war durchaus möglich.
    »Hallo«, sagte Roger Rikardsson und wedelte mit der Hand vor Kerstins Augen hin und her. »Ich habe das Gefühl, du verschwindest.«
    »Was hast du rausgekriegt?« fragte Kerstin gedämpft.
    Rikardsson ging im Zimmer auf und ab. »Wie du vermutet hast«, sagte er, »ist es eine einzige Sequenz. Wir hören, wie der Kommissar sich am Telefon meldet. Dann leiert dieser Mattson seinen Senf herunter und legt auf. Am Ende hören wir
    den Kommissar ein paar mal hallo sagen. Es war schlau von dir, Kerstin, an die Möglichkeit zu denken. Weil kein Wechselgespräch stattfindet.«
    »Danke«, sagte sie matt. »Was hast du rausgefunden, Roger?«
    »Hör zu«, sagte er und ließ das Band ablaufen.
    Das Band sagte: ›Ja, Kommissar Ludvigsson?‹ Dann hastig, schnell, mit einer hellen Stockholmstimme: ›Hier Mattson, Migrationsbehörde. Unterbrechen Sie mich nicht. In einer Wohnung bei Ihnen, Diagnosvägen 4, neunter Stock, sitzen fünf abgewiesene afrikanische Asylbewerber, die untergetaucht sind. An der Tür steht Lundström. Kontrollieren Sie das mal.‹ Am Ende: ›Hallo. Hallo. Verdammt, hat er aufgelegt? Hallo!‹
    Dann war es still.
    »Unterbrechen Sie mich nicht«, wiederholte Kerstin Holm.
    »Es wäre sowieso nicht gegangen«, sagte Roger Rikardsson und spulte das Band zurück. Er ließ es wieder laufen und fuhr fort: »Hör mal genau hin, nachdem der Kommissar sich gemeldet hat.«
    Lubbes Stimme sagte: ›Ja, Kommissar Ludvigsson?‹ Dann eine Sekunde Schweigen. Genau als Mattson anfing, stoppte Rikardsson das Band und spulte ein kleines Stück zurück.
    »Ich habe nichts gehört«, sagte Kerstin Holm.
    »Wir lassen es jetzt richtig laut laufen. Krieg keinen Schreck.«
    Lubbes Stimme dröhnte, dass die Wände des kleinen Kellerraums sich bogen: ›Ja, Kommissar Ludvigsson?‹ Dann kam die sekundenlange Pause. Durch das starke Rauschen hörte man ein kleines Klicken.
    »Klick?« sagte Kerstin.
    »Ich habe diese Pause als Schleife gelegt«, sagte Rikardsson. »Hör zu.«
    Immer wieder dieselbe Sequenz. Ohrenbetäubendes Rauschen, minimales Klicken. Ohrenbetäubendes Rauschen, minimales Klicken. Ohrenbetäubendes Rauschen, minimales Klicken.
    »Okay«, sagte Kerstin und hielt sich die Ohren zu.
    Rikardsson stoppte das Band.
    »Jetzt hast du mich lange genug auf die Folter gespannt«, sagte Kerstin Holm. »Was ist es?«
    Rikardsson kratzte sich am Kinn und sagte: »Da springt ein Tonbandgerät an.«

16

    Paul Hjelm hatte Sehnsucht – nach Hause. Das war ziemlich ungewöhnlich. Im Gegenteil, er hatte in jüngster Zeit das Gefühl, viel zuviel zu Hause zu sein. Niklas Grundström hatte ohne Zweifel einen wunden Punkt berührt. Paul Hjelm war ein Mann, der nichts dagegen hätte, sich ein paar Reisen nach Paris und New York leisten zu können, jetzt, da die Kinder sich anschickten, aus dem Nest zu fliegen.
    Deshalb saß er jetzt auf seinem Bett im Cronia Bed & Breakfast in einem alten Haus von der Jahrhundertwende an der Järnvägsgata in Trelleborg und trank ein Glas Whisky aus einer kurz zuvor gekauften Flasche Cragganmore. Er war in Unterhosen, und vor ihm auf dem Bett lag ein widerspenstiges Bewerbungsformular für die Kommissarstelle bei der Abteilung für interne Ermittlungen.
    Es ging ihm schwer von der Hand. Curriculum vitae. Beglaubigte Arbeitsbescheinigungen. Beglaubigte Zeugniskopien und Empfehlungsschreiben von Vorgesetzten. Alles in vierzehnfacher Ausführung.
    Während vor dem Fenster schwere Kriminalität ihr Unwesen trieb.
    Er blickte hinaus in die schwarze Herbstnacht, und es gelang ihm nicht, auch nur einen einzigen Stern zu finden.
    Er blickte in das kohlschwarze Himmelsgewölbe wie in eine Kristallkugel. Er war sich nicht sicher, ob er der richtige Mann für

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