Rosenrot
Stockholm aufgehalten, zeitweilig bei uns. Im Notfall war er selbst in der Lage, sich zu uns und in Behandlung zu begeben. Wir bedauern seinen Tod sehr. Mit freundlichem Gruß, Dr. med. Robert Ehnmark, Dozent der Psychiatrie, Klinikleiter.‹
Söderstedt spürte, dass etwas schwer an seiner Schulter atmete. Er kannte das Hecheln sehr gut. Und den Atem.
»Sieh mal einer an«, sagte Viggo Norlander ihm direkt ins Ohr. »Woher kommt die Mail?«
Arto Söderstedt las langsam, aber sicher: »Rudhagens Privatklinik in Mälardalen.«
Viggo Norlander runzelte die Stirn: »Habe ich das nicht schon mal gehört?«
Arto Söderstedt lachte und hob den Telefonhörer, um in Mälardalen anzurufen. »Allerdings«, sagte er, während er die Nummer von Rudhagens Privatklinik wählte. »Dort ist Dag Lundmark zum Entzug gewesen.«
29
Er war also wieder mit im Spiel. Im gleichen Maße, in dem neue Informationen auf ihn einströmten, begann Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin einzusehen, dass er tatsächlich wie die Spinne im Netz war. Sein Selbstvertrauen schoss in die Höhe. Und die Faszination packte ihn – die Faszination des Detektivs angesichts des Rätsels.
Es gab zwei Arten, wie man im Leben Dinge tun konnte – mit oder ohne Begeisterung. Das war die einzige Lebensweisheit, mit der er Staat machen konnte. Aber sie umfasste ja auch fast alles.
Was er jetzt vor sich hatte, war ein Rätsel mit Namen Dag Lundmark.
Hultin rief sich jenen ersten Eindruck in Erinnerung. Lundmark saß behäbig und selbstzufrieden auf der anderen Seite des venezianischen Spiegels. Er blickte mit einem ironischen Lächeln in sein eigenes Spiegelbild, und es war ihm anzusehen, dass er wusste, was dahinter war.
Forschend prüfende Blicke aller Art.
Ließ sich so im nachhinein mehr in den Blick hineinlegen?
Er dachte an Chavez‘ Bericht über die Schwarzreinigungsfirma Reines Haus und die bewusst heruntergekommen wirkende Erscheinung des Vizedirektors Joakim Backlund. War das nicht eine direkte Parallele zu Dag Lundmark? Er gab sein Bestes, um sich übergewichtig, träge und vorurteilsbeladen darzustellen – während er mit einem Plan im Schädel dasaß, der extrem ausgeklügelt und zugleich vollkommen richtungslos war.
Denn wohin liefen alle diese Fäden?
Gab es irgendeine Richtung, irgendein Ziel?
Pauls und Kerstins Verhör mit Dag Lundmark war auf
DVD überspielt. Es musste Stück für Stück durchgesehen werden. Vielleicht hatte er bei seinem zähen Murmeln den einen oder anderen Hinweis fallen lassen?
Kriminalkommissar Jan-Olov Hultin vertrieb sich die Zeit des Wartens auf die ersehnte Sitzung in der Kampfleitzentrale damit, dass er Schemata zeichnete – eine vertraute, aber auf traurige Weise ins Hintertreffen geratene Tätigkeit. Diese Schemata über den Stand der Dinge würden anschließend auf die legendäre Flipchart in der Kampfleitzentrale übertragen werden.
Und alles würde sein wie immer.
Er glaubte selbst nicht recht daran. Seine Zeit lief ab, und er wusste es. Er bebte und frohlockte abwechselnd.
Er sah auf die Uhr. Fünf Uhr am Freitagnachmittag war nicht die perfekte Zeit für eine Sitzung, aber keiner hatte das geringste einzuwenden gehabt. Die A-Gruppe hatte Witterung aufgenommen. Verbrechenswitterung. Von internationalem Charakter.
Es waren noch zehn Minuten. Weil er gern als erster am Platz war, nahm er seine Papiere zusammen und machte sich auf den Weg.
Im Gang stieß er mit Sara Svenhagen zusammen. Das war immer ein Vergnügen. Aber hatte sie sich nicht irgendwie verändert? Er konnte nicht genau sagen, was es war. Nicht einmal Reste von Kartoffelschalen schauten aus den Mundwinkeln.
Zusammen gingen sie zur Kampfleitzentrale. Er hielt ihr die Tür auf wie ein Gentleman der alten Schule.
Wahrscheinlich war er genau das.
Ein paar Minuten lang lag der Gang verlassen da. Dann kamen zwei Gewitterwolken angerollt, eine große und eine kleine. Sie spien Blitz und Donner. Sie hießen Jorge Chavez und Gunnar Nyberg.
Danach lag der Gang wieder verlassen.
Dann zog Viggo Norlander ein. Er blieb mit dem Jackenärmel am Türgriff hängen. Sehr irritierend. Er riss und hörte ein besorgniserregendes ratschendes Geräusch. Da fluchte er laut. Eine halbe Minute nach ihm schwebte Arto Söderstedt heran. Mit fernem Blick.
Wieder lag der Flur öde da. Dann zeigte sich ein schlechtgekleideter Mann in mittleren Jahren. Er hatte dunkelblondes Haar und ein rotes Mal auf der Wange. Er hatte den geschlagenen Tag beim
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