Rosenrot
Hinweiseingang zugebracht und falsche Zeugenaussagen über Siebenjährige durchgesehen. Sein Name war Paul Hjelm. Er öffnete die Tür und schaute herein. Dann blieb er einen Augenblick in der Türöffnung stehen, schaute den Flur entlang und überlegte, ob er eine Brille brauchte. Er würde sich keine anschaffen, aber darüber nachdenken konnte man ja.
Schließlich erblickte er- am entferntesten Ende des Gangs –, wonach er gesucht hatte. Eine dunkelhaarige Frau in seinem Alter. Er winkte ihr zu. Sie winkte zurück. Danach sah sie auf die Uhr. Sie hatte wohl noch ein, zwei Minuten Zeit?
Hjelm ging hinein. Kerstin Holm eilte der Perlenpforte der Kampfleitzentrale entgegen. Wäre sie nicht in ebendiesem Augenblick von einem jungen Boten des internen Botendienstes der Polizei aufgehalten worden, so wäre ihr Leben anders verlaufen. Sehr anders. Dann wäre sie in die Kampfleitzentrale geschlüpft, hätte sich auf einen Stuhl neben Paul Hjelm sinken lassen und an der großen Beratung des Freitagnachmittags teilgenommen.
Es kam anders.
»Entschuldigung«, sagte der Bote. »Ich brauche eine Unterschrift.«
Sie hatte einen großen Teil des Tages damit verbracht, eine Wohnung am Lötsjöväg im Vorort Hallonbergen zu lokalisieren. Der südliche Teil von Lötsjövägen war dicht besiedelt. Aber die riesigen und sehr tristen Wohnblocks waren fast ausschließlich im Besitz einer großen Baugesellschaft. Die hatte sie aufgesucht. Sie hatte sämtliche Mietverträge und Verträge
über Untervermietungen durchgesehen, soweit sie archiviert waren. Es waren mehrere Hundert. Sie hoffte, dass eine Art von offiziellem Vertrag geschlossen worden war. Und so war es. Schließlich fand sie ihn. Er passte auch zeitlich. Vom i. Juni an für ein Jahr. Eine Untervermietung. Der Inhaber des Hauptmietvertrags hieß Mervat Elmagarmid, aber der Untervermietungsvertrag war lediglich mit einem Kürzel signiert. Einer Unterschrift, die sie sehr gut kannte. Dag Lundmarks. Sie hatte die Adresse, doch sie hatte sie zu spät bekommen, um noch etwas zu unternehmen.
Jetzt würde die A-Gruppe sie gleich erfahren.
»Was für eine Unterschrift?« fragte sie den jungen Boten.
»Eine Lieferung vom Kriminallabor«, antwortete er. »Jemand von der ... ›Spezialeinheit beim Reichskriminalamt für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter‹ muss unterschreiben.«
»Ich muss zu einer Sitzung«, sagte sie in Eile. »Kannst du nicht etwas warten?«
»Es ist fünf Uhr am Freitagnachmittag«, sagte der Bote bittend. »Soll ich hier draußen im Flur sitzen und warten, bis eure Sitzung zu Ende ist?«
Kerstin Holm seufzte, unterschrieb und nahm die Sendung entgegen. Einen gewöhnlichen braunen C Umschlag. Sie drehte und wendete ihn. Er weigerte sich, sein Geheimnis preiszugeben.
Der junge Bote verschwand erleichtert ins Wochenendgewimmel.
Sie konnte es nicht lassen, den Umschlag zu öffnen. Für den Fall, dass er etwas enthielt, was sich mit zur Sitzung zu nehmen lohnte.
Die Sendung kam von Brynolf Svenhagen und bestand aus einem kleinen, in Auflösung begriffenen Zettel mit zerlaufener Tinte in einer verschlossenen Plastikhülle. Sie betrachtete ihn. Es war völlig unbegreiflich, man konnte nicht ein Wort erkennen.
Doch es war eine ausführliche Erläuterung beigefügt.
Chefkriminaltechniker Brynolf Svenhagen beschrieb einleitend die äußeren Umstände: ›Zettel gefunden am fünften September in der Brieftasche des verstorbenen Landwirts Max Sjöberg auf einem Acker zwischen Grönby und Sörby im südlichen Schonen. Der Tote dürfte cirka zwölf Tage auf einem brachliegenden Kartoffelacker vergraben gewesen sein. Ein gewisser Schutz war durch den schwarzen Plastiksack gegeben, in dem die Leiche lag.‹
Darauf folgte eine Beschreibung der Arbeit, die Svenhagen dem Papier gewidmet hatte: ›Das Papier ist gewöhnliches 80 g gebleichtes Schreibmaschinenpapier. Der Text ist mit Tinte geschrieben, den Kratzspuren zufolge mit einem Füller. Die Tinte ist zerlaufen und der Text nahezu unlesbar. Mit bloßem Auge kann man folgende Wörter erkennen, der Reihe nach: ›arm‹, ›stark‹, ›geben‹ und ›Haus‹, ohne einen Zusammenhang. Eine nähere Mikroanalyse der Tinte macht den Text nicht deutlicher; dafür ist sie zu weitgehend durch die Feuchtigkeit zerlaufen. Die Mikroanalyse musste sich statt dessen auf die Kratzspuren richten, die die Feder auf der oberen Papierschicht hinterlassen hat. Dabei sind weitere Wörter erkennbar geworden. Im
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