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Rosenrot

Titel: Rosenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Zusammenhang ergibt sich der Reihe nach folgendes: ›mich‹, ›dein‹, ›Herz‹, ›Arm‹,/ ›stark‹, ›Eifer‹, ›Glut‹, ›Flamme‹,/ ›Wasser‹, ›auslöschen‹, ›Ströme‹,/ ›Gut‹, ›geben‹, ›Hause‹, ›Liebe‹, ›genügen‹. Außerdem sind vier Punkte zu erkennen, was darauf schließen lässt, dass es sich um vier Sätze handelt. Die Schrägstriche im obigen Text bezeichnen die Punkte. BS.‹
    Sie begriff nicht richtig den Zusammenhang, doch die losgerissenen Wörter begannen in ihr zu klingen. Sie wusste kaum, wer Max Sjöberg war, doch von dem Zettel aus seiner Brieftasche ging ein furchtbarer Sirenengesang aus. Und der war an sie gerichtet. Er rief sie.
    Sie hielt sich die Hände vor die Ohren. Sie wollte ihn nicht hören. Doch es half nichts. Er war zu stark.
    Sie stand, die Hände an die Ohren gepresst und den Rücken an die Wand gedrückt, im Flur, unmittelbar neben der Tür zur Kampfleitzentrale. So nah, und doch so weit entfernt.
    Etwas bewegte sich durch den Flur. Es war ein schwarzes Loch mit einem unendlichen Sog. Nichts kam aus ihm heraus. Alles, was in seine Nähe geriet, wurde hineingesogen. Ein schwarzes Loch in der Zeit. Aber plötzlich war es sichtbar. Es war wider die Natur eines schwarzen Lochs, sichtbar zu sein. Wider seine Funktion. Seine Funktion war, alles zu schlucken, was in seine Nähe kam – Gedanken oder Nicht-Gedanken, Träume oder Nicht-Träume. Und es war fast kein schwarzes Loch mehr. Nichts wurde mehr hineingesogen. Es stieß statt dessen etwas aus. Es bekam Konturen. Menschliche Konturen. Eine schwarze Silhouette. Sie füllte die Lücken zwischen den losgerissenen Wörtern, und es sang in ihr mit entsetzlicher Stimme, direkt in ihr Knochenmark hinein wie ein Zahnarztbohrer ins Zahnmark.
    Sie sank auf dem wochenendleeren Flur in die Hocke.
    Sehr, sehr langsam drehte sie ihren alten Verlobungsring.
    Dann verwandelte sich Trauer in Zorn.
    Jetzt reichte es, verdammt noch mal.
    Sie kam hoch, atmete tief durch und ging zu ihrem und Pauls Zimmer. Sie warf den Umschlag auf ihren Schreibtisch.
    Dann lief sie den Flur entlang. In die Richtung, aus der sie gekommen war. Als sie um die Ecke bog, hörte sie, wie die Tür der Kampfleitzentrale geöffnet wurde. Es hatte nichts mehr mit ihr zu tun.
    Sie schaltete ihr Handy ab.
    Sie lief hinunter in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums und holte ihren Dienstwagen. Wie eine Verrückte fuhr sie durch die Stadt. Sie sprang zwischen den Wochenendschlangen hin und her. Sie fuhr auf Busspuren und auf der Gegenfahrbahn. Sie drückte das Blinklicht aus dem Seitenfenster und setzte es aufs Dach. Sie ließ die Sirene heulen. Sie brachte ganz Stockholm dazu, ihr Platz zu machen.
    Und sie erreichte Hallonbergen, den Lötsjöväg, einen Korridor, der aussah wie in einem Studentenheim, eine Tür, auf deren Briefschlitz der Name Elmagarmid stand. Sie fixierte sie einen Augenblick. Sammelte ihre ganze Kraft in einem Punkt. Zog ihre Dienstwaffe. Hob das Bein.
    Trat die Tür ein.
    Es ging. Auf Anhieb.
    Sie stürmte Hals über Kopf hinein. Die Waffe im Anschlag.
    Zimmer auf Zimmer. Ecke auf Ecke.
    Blick auf Blick. Als wollte sie, dass er da wäre. Den sie töten wollte.
    Und es war vollkommen leer.
    Vollkommen, vollkommen leer.
    Die Zweizimmerwohnung war kaum möbliert. Ein Bett. Ein paar Stühle. Und ein kleiner Küchentisch, von der Wand abklappbar. Da sank sie in sich zusammen. Vor dem Kühlschrank. Sank einfach. Den Pistolenlauf am Nasenrücken. Der kalte Stahl gegen ihre heiße Haut. Und die Tränen.
    Nicht wieder die Tränen. Du musst ein besseres Gegenmittel haben. Scheiß auf die Tränen.
    Aber keine Willensanstrengung konnte ihnen Einhalt gebieten. Sie liefen und liefen. Als sie die Augen aufmachte, kam ein schwarzes Loch in die Küche. Es war kein schwarzes Loch mehr. Es war ein Mensch, ein sehr kleiner Mensch. Er setzte sich zu ihr auf den Fußboden. Sie hatte das Gefühl, dass er den Arm um ihre Schultern legte.
    Dann die Begrüßung. Der Spuckeklecks.
    Mit einem herzförmigen Magneten war eine einzelne Fotografie an der Kühlschranktür befestigt. Ein alltägliches Foto. Zwei lachende Wesen.
    Ein Mann und ein Junge.
    Ein dicklicher Mann mit Schnauzbart. Er legte den Arm um den Jungen und lachte lauthals.
    Und da musste sie kotzen.

30

    Paul Hjelm stampfte mit dem Fuß. Dreimal sah er auf sein Handgelenk, aber er trug nun mal keine Uhr. Er musste eine kaufen. Brille und Armbanduhr. Erwachsenenpunkte

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