Rosentod: Thriller (German Edition)
dem Kopf.
Er erinnert sich an die Sache. Eine von zwei telefonischen Anforderungen, bei denen er vergeblich auf seinen Fahrgast wartete. Beide Male war das Moonlight im Spiel. Einmal kurz nach zwei, danach etwa eine halbe Stunde später. Zuerst kam der Anruf von einem Mann, dann von einer Frau.
Ob ihm etwas aufgefallen sei? Am Parkplatz? Auf den Zufahrtstraßen?
Beim Zufahren zur Disco wäre ihm fast ein schwarzer Geländewagen ins Auto geknallt, erzählt er. Das war’s.
Sie wolle mit ihm ein Protokoll aufnehmen?, wiederholt er Ullas Bitte. Na, dann fahre er sie eben ins Kommissariat. Gratis.
Eine Stunde später geht sie zu Nüssler.
Der raucht wie ein Schlot, nimmt ihren Bericht stumm zur Kenntnis und nickt nur, als sie sagt, dass sie mit dem Fall an die Öffentlichkeit gehe. Sie solle sich aber auch in die Fahndung nach den fünf Schlägern einschalten, verlangt er, und belästigt sie noch mit seinem Spruch des Tages. Stefan Zweig: Wer früh seine Seele weit auszuspannen gelernt, vermag später die ganze Welt in sich zu erfassen. Eine Weisheit, auf die sie gern verzichten kann. So ein Trottel.
In Ullas Büro stinkt es leicht modrig. Feuchte Wände? Schimmel? Bisher hat sie noch nichts dergleichen entdeckt, aber das will nichts besagen. Schimmelpilze schaden der Gesundheit, und Nüssler will sie loswerden. Am Ende versucht er es gar mit Baubiologie? Misstrauisch kontrolliert sie die Wände, findet aber nichts.
Danach versorgt sie die Zeitungsredaktionen und das Fernsehen mit Informationen zur polizeilichen Fahndung nach Elke Röhm und erledigt ein paar Schreibarbeiten. Es folgt ein Gespräch mit dem Chef der uniformierten Kollegen. Die Chefinspektorin lässt sich dazu breitschlagen, für die nächsten Schwerpunktaktionen zwei Autos der Kripo zur Verfügung zu stellen.
Gegen 19 Uhr ruft Frank zurück, faselt von viel zu viel Stress und verspricht, sich morgen wieder zu melden.
Ein Patrouillenwagen bringt sie nach Hause. Über dem Fluss hängen Wolken, und sie beeilt sich, während sie die Haustür aufsperrt.
Als sie eintritt, trifft sie die Stille in ihren vier Wänden wie eine Ohrfeige. Außerdem ist es saukalt hier. Hektisch öffnet sie die Ventile aller Radiatoren bis zum Anschlag, doch eine alte Heizung reagiert eben sehr träge. Es wird eine Weile dauern, bis sie den Erfolg spürt.
Ullas Abendprogramm? Umziehen. Fitnesstraining. Laufen. Wie immer mit Volldampf. Als sie zurückkehrt, ist es 22 Uhr, sie ist erschöpft, und die Heizkörper sind immer noch lauwarm. Hat sie einen Appetit auf Schokolade! Und wenn sie sich ein Stückchen gönnt? Seufzend schluckt sie stattdessen einen Appetitzügler und trinkt ein Glas Wasser. Danach hockt sie sich auf ihren abgewetzten Lesesessel, holt den neuesten Historienwälzer hervor, hüllt sich in eine Decke und macht es sich gemütlich.
Am Himmel ein fernes Grollen.
Vor dem Fenster dunkle Schatten.
Langsam werden Ulla die Lider schwer.
Die Nacht ist da.
Am Freitagmorgen fällt Kälte ein. Es schneit.
Als Ulla nach einem schnellen Kaffee das Haus verlässt, sind ihre Hände in kürzester Zeit ganz klamm.
Auf der Winkelfeldbrücke begegnen ihr nur wenige Menschen. Es herrscht eine eigenartig feierliche, aber irgendwie antriebslose Stille.
Diese quälenden Träume. Die schlagen ja jeden Horrorfilm. Zuerst lief die Sache mit Papa, danach die Szene mit Bernd und Edith im Bett. Volles Programm, inklusive Schreiduell, Weinkrampf und Weglaufen. Selbstverständlich auch die Nachlese mit Nachtdienst, Fahrt zu dieser angeblichen Vergewaltigung und dem verhängnisvollen Einbruch. Stimmt schon, der Tatort lag auf der Route zum Stützpunkt, aber sie hätte den Funkspruch auch ignorieren können, ja, ihn ignorieren müssen. Im Nachhinein betrachtet.
Frank fällt ihr ein. Der kommt und geht, ganz wie er will. Außerdem ist er hinter anderen Weibern her. Wie lange will sie sich das noch gefallen lassen?
Ob er mit dieser Studentin schon etwas hat? Spontan nimmt sie ihr Mobiltelefon aus der Handtasche, ruft Judith Amras an und lädt sie zum Abendessen ein. Dabei wird sie die Kleine ausquetschen, nimmt sie sich vor. Diskret.
Es folgt ein Telefonat mit dem Journalbeamten. Ohne große Illusionen fragt sie nach Elke Röhm. Da gebe es nichts Neues, heißt es. Die Zeitungsschmierer riefen laufend an und störten den Betrieb. Nüssler ließe ausrichten, sie solle sich um die Presse kümmern.
Das schiebt er also auch noch auf sie ab. Missmutig legt die Chefinspektorin auf und
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