Rosentod: Thriller (German Edition)
verlässt, klingelt ihr Telefon. Judith Amras. Sie habe mit Frank Schluss gemacht, erzählt sie. Ob Ulla abends Zeit für sie habe? Sie möchte mit ihr reden.
Ulla hat keine Lust. Jede Bewegung macht ihr Mühe. Sie fühlt sich unsagbar schlapp, also wimmelt sie das Mädchen ziemlich rüde ab, verspricht jedoch, sich zu melden.
Spontan entschließt sie sich, im italienischen Restaurant eine Quergasse weiter zu essen und sich dort bei dieser Gelegenheit gleich noch einmal wegen Elke umzuhören.
Das Restaurant ist weit weniger voll als vermutet. Erst geht sie mit Elkes Bild von Tisch zu Tisch und fragt. Erfolglos. Dann hängt sie die Jacke an die Garderobe, setzt sich an einen Tisch für zwei und zeigt dem Kellner das Foto.
Der stutzt. Er erinnert sich. Die Kleine speiste tatsächlich öfter hier im Lokal. Eine eher verwöhnte und impulsive junge Frau. Einmal war eine ältere Dame mit dabei, die ihr wegen angeblicher Geldverschwendung die Leviten las. Sie regte sich ziemlich auf, aber das Mädchen lachte bloß. Eine unschöne Szene.
Ullas Essen kommt. Sie hat sich für eine Pizza Siziliana entschieden und trinkt ein Glas Chianti dazu. Ah. Wie sehr sie Italien liebt. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es ein derart gut geschnürtes Paket von guter Gastronomie, hervorragenden Weinen, unvergleichlichen Kunstschätzen und großzügigen, weltoffenen Menschen, findet sie.
Nach dem Essen geht es ihr weitaus besser. Nach und nach klappert sie die Nachbarn der Röhms ab und stellt ihnen Fragen, ehe sie zur Steirischen Zentralbank in die Erzherzog Johann-Straße trottet und eine sehr selbstbewusste Sekretärin dazu überredet, sie ihrem Chef zu melden. Ganz ohne Termin.
Ein großes Büro mit Marmorboden, darauf ein massiver Schreibtisch mit Steinplatte. Der stattliche Mittvierziger dahinter sieht ganz so aus, als halte er hier das Heft in der Hand. Wenn Ulla allerdings an seine Vorzimmerdame denkt, ahnt sie, wer in diesem Büro wirklich die Markierungen setzt.
Sie ersuche um ein paar Auskünfte, flötet die Chefinspektorin, setzt sich ihm gegenüber, schlägt die Beine übereinander und lächelt den Bankmanager im schwarzen Businessanzug verheißungsvoll an.
„Auskünfte welcher Art?“, will der wissen, schraubt sich langsam aus seinem Ledersessel hoch und trabt zu Ulla.
„Vertrauliche Informationen über zwei Kundinnen.“
„Um wen handelt es sich?“
„Um Anna-Maria Röhm und ihre Tochter Elke.“
„Die Namen sind mir jetzt nicht unbedingt ein Begriff. Worum geht es? Im Detail, meine ich.“
„Ich will mich über die finanzielle Situation der beiden Damen aufklären lassen“, schmunzelt die Chefinspektorin. „Streng vertraulich natürlich.“
„Und wozu?“
„Elke wird vermisst. Ich untersuche den Fall.“
Da müsse er wohl vorher mit der Rechtsabteilung Rücksprache halten, meint der Banker.
„Unnötig“, widerspricht Ulla. „Ich brauche ja noch gar keine genauen Zahlen. Ein schneller, glatter Tipp reicht völlig.“
Widerwillig lässt sich der Banker breitschlagen, telefoniert leise und legt den Hörer wieder behutsam auf die Gabel.
„Es wird etwa zehn Minuten dauern“, sagt er. „Kaffee?“
Ulla nickt und schenkt ihm gleich nochmals ein bezauberndes Lächeln.
Als die Chefinspektorin am späten Nachmittag das Kommissariat betritt, geht es ihr wieder besser, und sie ist guter Dinge.
Der Journalbeamte auch.
Jedenfalls erzählt er einen deftigen Witz, bei dem sie keine Miene verzieht. Erst meint er, sie habe die Pointe nicht begriffen und wiederholt sie, ehe er Ullas Humorlosigkeit zur Kenntnis nimmt und betreten die Antwortmails der Fluggesellschaften herausrückt. Es gibt keine Buchung auf den Namen Elke Röhm. Ulla nimmt es schweigend zur Kenntnis.
Im Büro herrscht das reinste Chaos. Nüssler hat ihr den Entwurf für den neuen Tatortleitfaden auf den Tisch gelegt und braucht dazu eine Stellungnahme. Bis übermorgen.
Unter dem Leitfaden liegen die neuen Datenschutzrichtlinien, das aktuelle Handbuch für die Verrechnung von Überstunden und die Protokolle der letzten Überprüfungen durch den Menschenrechtsbeirat. Vier dicke Packen Papier, und überall sind ihre Kommentare dazu fällig. Mein Gott.
Aber zurück zum Fall Röhm. Da hat sie jetzt Handlungsbedarf.
Seufzend zieht die Chefinspektorin das Telefon zu sich heran und wählt. Elkes Mutter hebt sofort ab. Ulla bestellt sie ins Büro. Ohne Angabe von Gründen.
19 Uhr. Frau Röhm trägt ein schlichtes graues Kostüm unter einem
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