Rosentod: Thriller (German Edition)
dunkelgrünen, elegant geschnittenen, aber schon etwas abgetragenen Mantel. Ihr Haar ist kürzer geschnitten als vor ein paar Tagen und sie ist geschminkt, wenn auch sehr dezent. Die Chefinspektorin deutet auf den Sessel vorm Schreibtisch. Dann sitzen die Frauen einander gegenüber.
„Ein Glas Wasser?“
„Nein, danke.“
„Ich muss noch einmal auf das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Tochter zu sprechen kommen“, leitet Ulla ein. „Wenn Sie jetzt in aller Ruhe darüber nachdenken: Wie verstehen Sie sich?“
„Gut, das sagte ich doch schon.“
„Ihre Nachbarn sehen das anders“, widerspricht Ulla. „Da ist von Streitereien die Rede. Von Schreiduellen.“
„Böswillige Unterstellungen“, antwortet Frau Röhm empört, und ihre sonst so sparsame Gestik wird heftig. „Ich liebe Elke. Und sie liebt mich. Wie es sich gehört zwischen Mutter und Tochter.“
„Sie haben Elke zur Vorzugsschülerin dressiert. Sie wollten ein Musterkind.“
„Eine Frau muss etwas leisten, wenn sie nicht auf der Strecke bleiben will. Das hab ich ihr vermittelt.“
„Auf welche Art und Weise?“
„Wie meinen Sie das?“
„Haben Sie Ihre Tochter drangsaliert? Verprügelt?“
„Wer sagt das?“
„Erzählen Sie mir doch einfach, wie Sie Elke erzogen haben.“
„Die Vermittlung von Werthaltungen war mir immer wichtig. Mein Mann und ich haben unsere Tochter zu einem guten, gefestigten Menschen erzogen. Schläge waren dazu nicht nötig.“
„Gefestigt? Was verstehen Sie unter diesem Begriff?“
„Mein Gott ist meine feste Burg.“
„Ihre Tochter darf keinen Freund mit nach Hause bringen. Ist das korrekt?“
„Ich will den Mann kennenlernen, den sie heiratet. Die anderen interessieren mich nicht.“
„Was halten Sie von Sex vor der Ehe?“
„Muss nicht sein. Aber das ist Elkes Angelegenheit.“
„Als wir uns das letzte Mal unterhielten, behaupteten Sie, es habe zwischen Ihnen nie Streit gegeben.“
„Meinungsverschiedenheiten ja, Streit nein. Ich formuliere meine Wünsche und sie enttäuscht mich nicht. Elke macht mir so viel Freude.“
„Es gab eine heftige Szene. In der Pizzeria.“
„Ein unbedeutendes Geplänkel. Nicht der Rede wert.“
„Sie behaupteten, Elke sei gläubig. Dabei ist sie aus der Kirche ausgetreten.“
„Man kann an Gott glauben und nicht in der Kirche sein.“
„War Ihr verstorbener Mann eigentlich vermögend?“
„Es gibt Grundstücke und ein Bankkonto.“
„Wem hat Ihr Mann das vererbt?“
„Elke. Sie bekommt es an ihrem 24. Geburtstag. Alles. Ich habe ja unsere Wohnung. Das genügt.“
„Geben Sie Ihrer Tochter eigentlich Geld?“
„Sie bekommt ein Stipendium und von mir 200 Euro im Monat.“
„So wenig?“
„Sie kann zu Hause essen, trinken und wohnen. Gratis. Und in absehbarer Zeit hat sie genug Geld, um auf eigenen Beinen zu stehen.“
„Waren Sie in letzter Zeit in Geldverlegenheit?“
„Wie meinen Sie das?“
„Wieso Sie zwei Tage vor dem Verschwinden Ihrer Tochter einen Kredit über 30.000 Euro aufnahmen, will ich wissen.“
„Das sind eigenartige Fragen, Frau Spärlich. Ich bin mir nicht so sicher, ob Ihnen das zusteht.“
„Ich bin Kriminalbeamtin und suche nach einem abgängigen Mädchen. Es ist meine verdammte Pflicht, Ihnen Fragen dieser Art zu stellen, Frau Röhm. Wenn Sie wollen, können Sie aber einen Rechtsanwalt beiziehen. Jederzeit.“
„Wozu? Ich habe doch nichts zu verbergen. Meine Geldangelegenheiten gehen aber nur mich etwas an. Und meine Tochter. Könnte ich jetzt doch ein Glas Wasser haben?“
„Selbstverständlich.“ Ruhig holt Ulla eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank, stellt ein Glas auf den Schreibtisch und schenkt ein.
„Wo waren Sie in der Nacht, in der Ihre Tochter verschwand?“
„Im Bett. Ich habe geschlafen.“
„Allein?“
„Oh ja.“
„Wir hätten uns gern einmal in Ihrer Wohnung umgesehen. Sind Sie damit einverstanden?“
„Muss ich wohl“, seufzt die Frau und wird ganz bleich dabei. „Von mir aus.“
„Die Sache basiert auf Freiwilligkeit. Ich habe da schon eine schriftliche Erklärung vorbereitet“, setzt die Chefinspektorin nach und schiebt ihr ein Blatt Papier über den Schreibtisch. „Wenn Sie bitte hier rechts unten unterschreiben würden.“
Stumm setzt Frau Röhm ihren Namen unter den Text.
Wenig später machen sich zwei Kriminalbeamte und ein Spurensicherer an die Arbeit.
22 Uhr. Die Wohnung ist durchsucht. Spuren einer Gewalttat sind nicht vorhanden.
Ullas
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